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Titel: Anwendung einer EU-Richtlinie bei Nichtumsetzung?
Datum: 13.06.2012
Aktenzeichen: – VI-2 U (Kart) 10/11 -
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, EU-Recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte, Zivilrecht
Rechtsstand: nachfolgend BGH, Urteil vom 09.12.2016 - VIII ZR 208/12
Dokumentennummer: 12001786 ebenso Versorgungswirtschaft 9/2012, Seite 231

Anwendung einer EU-Richtlinie bei Nichtumsetzung?

Abstract

Mit Urteil vom 13.06.2012 - VI-2 U (Kart) 10/11 - wies das OLG Düsseldorf die Zahlungsklage eines Gasversorgers mit der Begründung ab, der Versorger habe nicht über das Kündigungsrecht des Kunden belehrt. Es stellt sich im vorliegenden Fall die Frage der Anwendung einer EU-Richtlinie bei Nichtumsetzung? Rechtsanwalt Michael Brändle kommt in seiner Anmerkung zu dem Urteil zu dem Ergebnis, dass die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf näherer europarechtlicher Prüfung nicht standhält und beschreibt bis zu einer Klärung durch den BGH oder den EuGH für alle Energielieferanten mit kommunaler Beteiligung und vor allem für Eigenbetriebe den „Sichersten Weg“ zur Handhabung. Des Weiteren nimmt der Autor - unter Heranziehung des vorinstanzlichen Urteils des LG Mönchengladbach - Stellung zu der gerichtlichen Ausführung zur Abgrenzung der Grundversorgung von Sonderverträgen bei Bestpreisabrechnung, Billigkeit der Preisanpassungen und der vorgenommenen Verrechnung von Abschlagszahlungen für andere Versorgungsarten als Gas mit Rückständen auf die Gasentgelte.


Leseprobe

- Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.6.2012 - VI-2 U (Kart) 10/111 von RA Michael Brändle, Freiburg -

Mit Urteil vom 13.6.2012 wies das OLG Düsseldorf die Klage eines Gasversorgers auf Zahlung (erhöhter) Entgelte mit der Begründung ab, der Versorger habe nicht über das Kündigungsrecht des Kunden belehrt, was bei richtlinienkonformer Auslegung der Erdgasbinnenmarktrichtlinie geboten sei, auch wenn diese europarechtliche Vorgabe nicht in nationales Recht umgesetzt worden sei. Diese Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf hält näherer europarechtlicher Prüfung nicht stand. Die Entscheidung enthält darüber hinaus Ausführungen zur Abgrenzung der Grundversorgung von Sonderverträgen bei nach Verbrauch gestaffelten Allgemeinen Tarifen mit „Bestpreisabrechnung“. Das Landgericht hatte sich zuvor der instanzgerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen, wonach eine Billigkeitsprüfung seit 2008 nicht mehr in Betracht kommt, da der Kunde die Möglichkeit hatte, den Lieferanten zu wechseln.

(...) Die vorgenommene Verrechnung zwischen den Sparten hält das Landgericht für zulässig. Sofern der Versorger Abschläge, die für Strom, Wasser und Abwasser gefordert wurden, auf die Gasabrechnungen verrechnet habe, könnte sich hieraus allenfalls eine noch höhere Forderung der Klägerin ergeben, wenn insoweit wegen einer unzulässigen Verrechnung keine Erfüllung gemäß § 362 BGB eingetreten wäre. Den Gasabrechnungen fehle im Übrigen nicht die nötige Transparenz, weil der Beklagten die von ihr für die jeweiligen Gaslieferungen bestimmten Abschlagsanteile bekannt sind. Hier sind, ohne genaue Kenntnis wie dies im besprochenen Fall genau war, zwei kritische Anmerkungen erforderlich: Die Verrechnung der Abschläge zwischen den Sparten wird in der Praxis oft implizit gemacht, d.h. ohne genau aufzuschlüsseln, welche Beträge für die einzelnen Sparten gefordert und bezahlt wurden. Rechtlich geboten wäre indessen, in der Rechnung nach Sparten getrennt differenziert darzustellen ….

Das Oberlandesgericht bestätigte die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Abgrenzung zwischen der Grundversorgung und einem Sondervertrag, beschäftigte sich aber nicht mit Fragen der Billigkeit und der Verrechnung. Die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil es in den Preisanpassungsschreiben der Klägerin an einer Belehrung über die Kündigungsmöglichkeit durch den Kunden gefehlt habe, was zwingend geboten sei, ansonsten sei die Preisanpassung unwirksam.

Die Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55 verpflichte, so das OLG, die Mitgliedstaaten durch Regelungen in Anhang A und Art. 3 Abs. 3 zu einem hohen Verbraucherschutz in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen und allgemeinen Informationen. Die dazu im Anhang A genannten Maßnahmen stellten im Fall von „Haushaltskunden“, wie der Beklagten, den sicherzustellenden Mindeststandard dar. Einseitige Preisänderungen durch das Versorgungsunternehmen unterlägen danach, und zwar gemäß Anhang A zu Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 2003/55 zusätzlichen Anforderungen. …

1 OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.6.2012 - VI-2 U (Kart) 10/11, vkw-online.eu DokNr. 12001485, vgl. auch Pressemitteilung des Gerichts, vw-aktuell, Versorgungswirtschaft 2012 (Heft 7), 171, und vorgehend LG Mönchengladbach, Urteil vom 15.9.2011 - 6 O 61/11, bei NRWE veröffentlicht, Kurzwiedergabe in IR 2011, 346-347; Revision beim BGH unter dem Aktenzeichen VIII ZR 208/12 anhängig.

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