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Titel: Der Erlassvertrag im Anwendungsbereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – ein Widerspruch?
Datum: 01.10.2018
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: EEG, Zivilrecht
Dokumentennummer: 18004852 ebenso Versorgungswirtschaft 10/2018, Seite 293

Der Erlassvertrag im Anwendungsbereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – ein Widerspruch?

- von RA Dr. Christian Rühr und Johannes Höber, Berlin -*

Der Erlassvertrag ist keine Besonderheit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Er ist ein allgemein-zivilrechtliches Gestaltungsinstrument. Der Erlassvertrag ermöglicht es den Beteiligten einer schuldrechtlichen Beziehung, das Schicksal einzelner Verpflichtungen einvernehmlich zu regeln. Muss jemand einem anderen bspw. Geld zahlen, können sich beide darauf verständigen, dass die Zahlungspflicht in bestimmter Höhe entfallen soll. Der Schuldner wird von seiner Zahlungspflicht frei; die Zahlungsforderung des Gläubigers erlischt. Kann dieses weitreichende Gestaltungsinstrument auch von Anlagenbetreibern und Netzbetreibern genutzt werden, die sich nach dem EEG in einem gesetzlichen Schuldverhältnis gegenüberstehen? Könnten sich beide bspw. im Rahmen eines Erlassvertrags wirksam darauf einigen, dass der Anlagenbetreiber auf seine finanzielle Förderung verzichtet, die ihm das EEG zubilligt? Dem könnte auf den ersten Blick das sog. Abweichungsverbot des EEG entgegenstehen. Damit verbundenen Fragen geht der folgende Beitrag nach. Er zeigt im Rahmen erster Überlegungen auf, welche praxisrelevanten Sachverhalte betroffen sein können und welche rechtlichen, bisweilen kleinteiligen Folgen damit einhergehen können.

1. Einführung in die Problemstellung

Im Süden Berlins wurde vor wenigen Wochen der 100.000. Batteriespeicher Deutschlands in Betrieb genommen, medienwirksam begleitet u.a. von einem Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Der Speicher ergänzt und erweitert in einem privaten Einfamilienhaus die Nutzung von Solarstrom, der auf dem Dach in Solarmodulen erzeugt wird. Die Kombination aus Solarinstallation und Speicher habe es dem Hauseigentümer nach eigenen Angaben erlaubt, im Jahr 2018 bislang keine Kilowattstunde (kWh) Strom aus dem Stromnetz der allgemeinen Versorgung (Netz) beziehen zu müssen. Dieses Szenario wird durch die Möglichkeit »abgerundet«, überschüssigen Strom in das Netz einspeisen zu können, auch wenn dazu im Fall des 100.000. Batteriespeichers Deutschlands keine konkreten Angaben bekannt sind. Der Hauseigentümer brauchte sich jedenfalls über den »physikalischen Verbleib« des erzeugten Stroms, der während der sonnenreichen Sommerwochen 2018 weder unmittelbar im Haus verbraucht noch eingespeichert werden konnte, keine Gedanken zu machen - der Strom fand seinen Weg in das Netz.

In kleinerem Maßstab findet sich bei sog. Solar-Steckermodulen eine ähnliche Ausgangssituation. Solarmodule, die bspw. am Balkon befestigt werden können und über eine Steckvorrichtung mit dem Endstromkreis verbunden werden, sollen den Strombezug aus dem Netz mindern.1 Auch hier kann es zu Einspeisungen überschüssigen Stroms in das Netz kommen, wenngleich die Mengen - verglichen mit der oben genannten Konstellation - regelmäßig deutlich geringer ausfallen dürften.

Je geringer die Mengen aber sind, die der Netzbetreiber abnehmen muss2, umso weniger wird dem Betreiber der Solarinstallation daran gelegen sein, den überschüssigen Strom für sich wirtschaftlich nutzen zu wollen. Sein Hauptanliegen wird regelmäßig darin bestehen, ohne großen Abwicklungsaufwand mit der eigenen Erzeugung den Strombezug aus dem Netz zu minimieren.

(…)

2. Mögliche rechtliche Lösungsansätze

Hat der Anlagenbetreiber seine Anlage der Veräußerungsform »Einspeisevergütung« zugeordnet, sind verschiedene Konstellationen denkbar, in denen er auf die EEG-Förderung

für den Überschussstrom »verzichten« könnte. Damit gehen unterschiedliche rechtliche Folgen einher, so dass sich die Ansätze aus Netzbetreiberperspektive mit Blick auf eine verlässliche

und abschließende Lösung besser oder schlechter eignen.

2.1 Der Anlagenbetreiber macht den Anspruch nicht geltend

Im Sinne einer passiven Lösung könnte der Anlagenbetreiber zunächst schlicht davon absehen, seine Ansprüche gegenüber dem Netzbetreiber geltend zu machen. Solange keine Verjährung eintritt, muss der Netzbetreiber in diesem Fall aber damit rechnen, dass der Anlagenbetreiber zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise noch auf ihn zukommt. Diese Konstellation ist daher regelmäßig nicht im Sinne des Netzbetreibers.

2.2 Einseitige »Verzichtserklärung« des Anlagenbetreibers

Im Sinne einer aktiven Lösung könnte der Anlagenbetreiber einseitig gegenüber dem Netzbetreiber erklären, dass er auf die EEG-Förderung verzichtet. Der Ansatz hätte den Charme, dass die einseitige Erklärung im Ausgangspunkt keine vertragliche Vereinbarung darstellt, die am EEG-Abweichungsverbot zu messen wäre. Einer solchen einseitigen Erklärung

dürfte aber im Regelfall nicht die rechtliche Wirkung zukommen, die ihr die Beteiligten beilegen wollen: Weder das EEG noch das - allgemeinere - Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regeln einen einseitigen Verzicht ausdrücklich. Vermag der einseitige Verzicht bei sog. Gestaltungsrechten - bspw. Einem Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede - noch

rechtlich belastbare Lösungen herbeiführen können, kann dieser Gedanke nicht auf einen »Verzicht« auf eine (schuldrechtliche) Forderung übertragen werden. Eine einseitige Erklärung

würde die Existenz des EEG-Förderanspruchs mithin unberührt lassen, ihn daher nicht »vernichten«. Die höchstrichterliche Rechtsprechung könnte im Zweifel sogar davon ausgehen, dass die Verzichtserklärung ein Vertragsangebot des Anlagenbetreibers zum Abschluss eines Erlassvertrags darstellt, das der Netzbetreiber auch ohne ausdrückliche Erklärung stillschweigend annehmen könnte. Es gäbe dann im Ergebnis einen Erlassvertrag, obwohl die Beteiligten von einer einseitigen Erklärung ausgehen. Ein einseitiger Verzicht des Anlagenbetreibers mündet im Zweifel also auch in die gleichen Folgefragen, die ein - ausdrücklich als solcher geschlossener - Erlassvertrag aufwerfen würde.

2.3 Erlassvertrag

Ein ausdrücklich geschlossener Erlassvertrag wäre ein aktiver, zweiseitiger Lösungsansatz, der den EEG-Förderanspruch »vernichten« würde.

(…)

* Dr. Christian Rühr ist Rechtsanwalt am Berliner Standort der auf Energie und Infrastrukturrecht spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held, Johannes Höber war dort bis August 2018 als Rechtsanwalt tätig. Der Beitrag gibt ihre persönlichen Auffassungen wieder.

1 Die zulässige Nutzung solcher Solar-Steckermodule wird von zahlreichen, insbesondere rechtlichen Fragen begleitet. In den technischen Regelwerken DIN VDE 0100-551 und DIN VDE V 0100-551-1 hat der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. im Mai 2018 den Weg zur Nutzung solcher Systeme an einigen Stellen ebnen können; vgl. www.vde.com/de/fnn/themen/tar/tar-niederspannung/erzeugungsanlagen-steckdose .

2 Vgl. zur grundsätzlichen Pflicht des Netzbetreibers, Strom aus erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig physikalisch abnehmen, übertragen und verteilen zu müssen, § 11 EEG 2017.

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