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Titel: Die Vergabe von Wegerechten in der Wasser- und (Fern-)Wärmeversorgung
Autor: RAin Heike Viole, Dr. Julia Müller
Datum: 01.05.2019
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, EU-Recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte, Konzessionsabgaberecht, Wettbewerbs-/Kartellrecht
Dokumentennummer: 19005231 ebenso Versorgungswirtschaft 5/2019, Seite 133

Die Vergabe von Wegerechten in der Wasser- und (Fern-)Wärmeversorgung

- von RAin Dr. Julia Müller und RAin Heike Viole, Nürnberg -*

Mit seiner Entscheidung vom 21.03.2018 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine wegweisende Entscheidung zur Ausschreibungspflicht von Wasserkonzessionen getroffen. Auch in der Fernwärmeversorgung werden Wegerechte für die Verlegung von Leitungen und sonstiger Versorgungsinfrastruktur eingeräumt. Schon länger wird diskutiert, ob und wenn ja in welchem Umfang Wegerechte in der Fernwärme einer Ausschreibungspflicht unterliegen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und Literatur und beleuchtet insbesondere auch die Frage, inwieweit die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu Wasserkonzessionen möglicherweise auch auf die Fernwärmeversorgung übertragbar ist.

I. Einführung

Die öffentliche Wasserversorgung gehört zum klassischen Bereich der Daseinsvorsorge. Dieser Grundsatz ist - wenngleich schon lange anerkannt - in § 50 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz mittlerweile auch gesetzlich normiert: »Die der Allgemeinheit dienende Wasserversorgung (öffentliche Wasserversorgung) ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.«

Die Qualifizierung der öffentlichen Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge schließt zwar nicht aus, dass sie auch durch private Aufgabenträger erfüllt werden kann1, Kommunen müssen jedoch grundsätzlich dafür sorgen, dass

ihren Bürgerinnen und Bürgern eine öffentliche Wasserversorgung zur Verfügung steht. Die Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungsgesetze in den Bundesländern weisen die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser teilweise ausdrücklich dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zu2, beschäftigen sich - in unterschiedlicher Regelungstiefe - im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen mit der Thematik der öffentlichen Wasserversorgung, z.B. indem die wirtschaftliche Betätigung von vorhandenen Subsidiaritätsklauseln befreit wird3 oder eröffnen den Anwendungsbereich eines kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs.4

Vergibt eine Kommune das Recht, die in der Gemeinde lebenden Bürgerinnen und Bürger mit Wasser zu versorgen (und hierfür ein bestehendes Trinkwasserleitungsnetz zu nutzen), an ein (Dritt-)Unternehmen, verlagert sie im Ergebnis die ihr eigentlich obliegende Aufgabe der Trinkwasserversorgung auf eben dieses Unternehmen. Die Kommune beschafft daher schlussendlich die Wasserversorgung von dem Dritten. Nicht zuletzt § 149 Nr. 9 GWB5 macht deutlich, dass es sich hierbei um eine (Dienstleistungs-)Konzession, d.h. einen Vorgang mit Beschaffungscharakter, handelt.6

[…]

II. Zur Ausschreibungspflicht von Wasserkonzessionsverträgen

Nach zähem Ringen um das Thema Wasserkonzession während des Entstehungsprozesses der Konzessionsrichtlinie12 der Europäischen Union, wurde schließlich für die Vergabe von Wasserkonzessionen eine ausdrückliche Ausnahmeregelung getroffen.13 Trinkwasserkonzessionen unterfallen gemäß § 149 Nr. 9 GWB (der die Vorgaben der europäischen Richtlinie in deutsches Recht umsetzt) ausdrücklich nicht dem Anwendungsbereich des förmlichen Konzessionsvergaberechts (§§ 148 ff. GWB i.V.m. KonzVgV14). Dennoch sind Trinkwasserkonzessionen nicht im rechtsfreien Raum zu vergeben.

1. Ausschreibungspflicht nach deutschem Kartellrecht?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf nahm in seiner Entscheidung vom 21.03.2018 erstmals ausführlich Stellung zur Ausschreibungspflicht von Wasserkonzessionen nach deutschem Kartellrecht. Ausschlaggebendes Argument für die Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens war schlussendlich, dass Städte und Gemeinden beim Abschluss von (Wasser-)Konzessionsverträgen dem deutschen Kartellrecht unterfallen, weil sie als Unternehmen im Sinne der kartellrechtlichen Vorschriften handeln:

»Sie haben eine marktbeherrschende Stellung, weil ihnen auf dem relevanten Markt eine Monopolstellung zukommt. Sachlich betroffen ist der (Angebots-)Markt für Wegenutzungsrechte zur Verlegung und zum Betrieb von Wasserleitungsrohren, um die an das Rohrleitungssystem angeschlossenen Abnehmer mit Wasser zu versorgen. Auf diesem Markt stehen sich die Gemeinden als Anbieter des Wegerechts und Wasserversorgungsunternehmen als Nachfrager gegenüber. Räumlich ist der relevante Markt auf das Hoheitsgebiet der jeweiligen Gemeinde oder Stadt beschränkt. Er umfasst sämtliche Wege, die sich für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gebiet der Gemeinde oder Stadt eignen. Der betroffene Markt für Wegenutzungsrechte im Stadtgebiet […] ist gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich.«15

[…]

2. Ausschreibungspflicht nach EU-Primärrecht?

Der EU-Vertrag (AEUV) fordert immer dann die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Diskriminierungsfreiheit, Transparenz und Verhältnismäßigkeit, wenn ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse20 (sogenannter Binnenmarktbezug) vorliegt. Aus dem Transparenzgrundsatz folgt u.a. die Pflicht zur Gewährleistung eines angemessenen Grades an Öffentlichkeit, sprich zur (wettbewerblichen) Bekanntmachung.

Die europäische Rechtsprechung hat verschiedene objektive Kriterien21 herausgearbeitet, um das Vorliegen eines eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses beurteilen zu können. Auf den »Binnenmarktbezug« könnten demnach im Falle einer Wasserkonzession beispielsweise hinweisen:

  • die Höhe des Konzessionsvolumens,
  • der Ort der Wasserversorgung,
  • die technischen Merkmale der Konzession oder
  • ernstgemeinte Konkurrentenbeschwerden.

Ob die vorstehenden Merkmale im konkreten Fall für einen Binnenmarktbezug streiten, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und bedarf der Zusammenschau aller maßgeblichen Umstände.

[…]

* Die Autorinnen sind Rechtsanwältinnen bei Rödl & Partner. Dr. Julia Müller ist im Vergaberechtsbereich und Heike Viole ist in der Energierechtspraxis tätig.

1 BT-Drs. 16/12275, Seite 66.

2 Vgl. Art. 83 Verfassung des Freistaates Bayern; § 2 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf); § 2 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V); § 67 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO RP); § 2 Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (ThürKO).

3 Art. 87 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO); § 102 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW); § 136 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG); § 107 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW); § 85 GemO RP; § 128 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA).

4 Art. 24 BayGO; § 11 GemO BW § 15 KV M-V; § 13 NKomVG; § 9 GO NRW; § 26 GemO RP; § 22 Kommunalselbstverwaltungsgesetz Saarland (KSVG); § 14 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO); § 11 KVG LSA; § 17 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (GO SH); § 20 ThürKO.

5 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

6 (Dienstleistungs-)Konzessionen werden durch § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB definiert als »entgeltliche Verträge, mit denen ein oder mehrere Konzessionsgeber ein oder mehrere Unternehmen mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Nummer 1 bestehen (Dienstleistungskonzessionen); dabei besteht die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung.«

12 Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe.

13 Art.12 RL 2014/23/EU.

14 Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Konzessionsvergabeverordnung - KonzVgV).

15 OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2018 - VI-2 U (Kart) 6/16 VersorgW DokNr. 19005182.

20 EuGH, Urteil vom 05.04.2017 - C-298/15 »Borta«.

21 EuGH, Urteil vom 16.04.2015 - C-278/14 »SC Enterprise Focused Solutions«.

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