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Titel: Fahrzeugbeschaffungen im Anwendungsbereich der neuen Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge
Autor: Dr. Andreas Graef
Datum: 01.06.2019
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: EU-Recht, Vergaberecht, Wettbewerbs-/Kartellrecht
Dokumentennummer: 19005256 ebenso Versorgungswirtschaft 6/2019, Seite 175

Fahrzeugbeschaffungen im Anwendungsbereich der neuen Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge

- von RA Dr. Andreas Graef, MBA, Düsseldorf -*

Dieselbetriebene ÖPNV-Busse machen derzeit etwa ein Prozent des innerstädtischen Verkehrs aus, sind aber für etwa 20 Prozent des Schadstoffausstoßes verantwortlich. Diese nachteiligen Umwelteinwirkungen, die mit dem Einsatz von Dieselbussen verbunden sind, werden im Rahmen einer Gesamt(wirtschaftlichkeits)betrachtung durch die weitaus höheren Anschaffungskosten von Elektrobussen überlagert. Insbesondere dieser Umstand und eine geringe Markttiefe haben zur Folge, dass die Beschaffung von Elektrobussen und Hybridfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin eine untergeordnete Rolle einnimmt. Im gesamten Jahr 2016 wurden nur 38 Elektro- und 4 Hybridbusse in Deutschland zugelassen. Dies entspricht einem Zulassungsanteil von knapp 0,6 %. Enttäuschend stellt sich auch der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Pkw-Neuzulassungen dar. Dieser lag im Jahr 2017 in den 16 Mitgliedstaaten unter 1 % und in 10 Mitgliedstaaten unter 0,5 %. Auch wenn der mittlerweile verstärkt zu beobachtende Rückgriff auf öffentliche Initiativen zur Förderung emissionsarmer Mobilitätsvarianten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer europäischen Industrie für batterieelektrische Fahrzeuge leistet, hat ein durch Skaleneffekte belegter Ausbau der Elektromobilität auf den verschiedenen Leistungsebenen bislang nicht stattgefunden. Diesem Missstand möchte der europäische Gesetzgeber durch die nachfolgend näher erläuterte Anpassung der Richtlinie 2009/33/EG über saubere und energieeffiziente Straßenfahrzeuge begegnen.

A. Einleitung

Mit der Richtlinie 2009/33/EG wird das ausdrückliche Ziel verfolgt, den Markt für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge zu beleben und den Beitrag des Verkehrssektors zur Umwelt-, Klima- und Energiepolitik der EU zu verbessern. Medium zur erfolgreichen Durchsetzung dieser ehrgeizigen Initiative sind die nationalen Beschaffungsmärkte. Die in Umsetzung der Richtlinie 2009/33/EG in deutsches Recht ergangenen maßgeblichen Regelungen des § 59 SektVO und § 68 VgV halten insbesondere Bund, Länder, Kommunen sowie öffentliche Unternehmen bei europaweiten Vergabeverfahren zum Kauf von Straßenfahrzeugen dazu an, detaillierte Anforderungen an den Kraftstoffverbrauch sowie an Kohlendioxid- und andere Schadstoffemissionen zu stellen.1

Nur wenige Jahre nach der Überführung der Richtlinie 2009/33/EG in das Recht der EU-Mitgliedsstaaten musste die Europäische Kommission mit Enttäuschung feststellen, dass der dort gewählte Regelungsansatz erhebliche Mängel aufweist. Zur Beachtung des europäischen Vergaberechts verpflichtete Beschaffungsstellen sehen nach den Untersuchungen der Europäischen Kommission bei ihrem Ausschreibungsdesign regelmäßig davon ab, die Markteinführung sauberer Fahrzeuge nachhaltig voranzutreiben.2 Darüber hinaus hat die Europäische Kommission bedeutende methodische Fehler bei der Konzeption der Richtlinie 2009/33/EG ausgedeutet. Hervorgehoben wird insoweit die fehlende Bestimmtheit der Vorschriften für den Kauf von Fahrzeugen (technische Spezifikationen) und eine überbordende Komplexität.3 Als Reaktion auf die fehlende Praxistauglichkeit der Richtlinie

[…]

B. Die Richtlinie 2009/33/EG-Neu

Mit der Überarbeitung der Richtlinie 2009/33/EG soll durch ein Bündel an Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Richtlinie 2009/33/EG-Neu alle einschlägigen Vergabeverfahren abdeckt und eindeutige, langfristige Marktsignale aussendet, und dass die Vorschriften einfacher und wirksamer werden.

I. Begriffsbestimmungen

1. Straßenfahrzeug

[…]

II. Sachlicher Anwendungsbereich

In den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/ 33/EG-Neu fällt ein weites Spektrum an Ausschreibungsvarianten, sofern nicht ausnahmsweise eine Freistellung eingreift.

1. Beschaffungsinitiativen öffentlicher Auftraggeber und Sektorenauftraggeber

Die Richtlinie 2009/33/EG sieht in ihrer ursprünglichen Fassung nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich vor, der den Direktkauf von Fahrzeugen in den Blick nimmt. In den erweiterten sachlichen Anwendungsbereich bezieht Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/33/EG-Neu neben den Abschluss von Verträgen über den Kauf auch das Leasing, die Anmietung oder den Ratenkauf von Straßenfahrzeugen ein.

Normadressaten sind dabei die nachfolgend unter II. aufgeführten Beschaffungsstellen, die zur Durchführung europaweiter Vergabeverfahren verpflichtet sind.

2. Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

[…]

3. Vergabe von Dienstleistungsaufträge über Verkehrsdienste

Im Rahmen der Evaluierung der Richtlinie 2009/33/EG hat die Europäische Kommission den Umstand beanstandet, dass in den sachlichen Anwendungsbereich keine Verträge über andere Verkehrsdienste als den öffentlichen Personenverkehr

fallen. Zukünftig sind Dienstleistungsaufträge über Verkehrsdienste gemäß Tabelle 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu berücksichtigen, soweit die öffentlichen Auftraggeber bzw. Auftraggeber zur Anwendung der Vergabeverfahren nach den Richtlinien 2014/24/EU bzw. 2014/25/EU verpflichtet sind.

4. Freistellungen vom sachlichen Anwendungsbereich

[…]

* Herr Rechtsanwalt Dr. Andreas Graef, MBA, ist Partner bei BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Düsseldorf.

1 Die in der Richtlinie 2009/33/EG fest verankerte Lebenszykluskostenrechnung ist ein wichtiges Instrument der öffentlichen Auftraggeber und Auftraggeber zur Erfassung der Energie- und Umweltkosten während der Lebensdauer eines Fahrzeugs. Da die in der Richtlinie 2009/33/EG vor - gesehene Methode zur Berechnung der über die gesamte Lebensdauer anfallenden Betriebskosten nach Beobachtungen der Europäischen Kommission Auftraggeber nicht mehr zur Anwendung einer bestimmten Methode verpflichtet. Sie können zukünftig die Methode zur Lebenszykluskostenrechnung in ihren Vergabeverfahren frei wählen.

2 European Commission, Ex-post Evaluation of Directive 2009/33/EC on the promotion of clean and energy efficient road transport vehicles (2015), S. 84 ff.

3 European Commission, Ex-post Evaluation of Directive 2009/33/EC on the promotion of clean and energy efficient road transport vehicles (2015), S. 84 ff.

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