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Titel: Steuerfreies Gehalt: Gutscheine
Behörde / Gericht: Bundesfinanzhof München (BFH; seit 1950)
Datum: 01.03.2011
Gesetz: EStG, LStR
Artikeltyp: Im Focus
Kategorien: Einkommensteuer/SolZ, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherung
Dokumentennummer: 11000456

Steuerfreies Gehalt: Gutscheine

„Mehr netto“ auf dem Gehaltszettel - das freut jeden Arbeitnehmer. Möglich wird „Mehr netto“ durch drei BFH-Urteile vom 11. November 2011, Az. VI R 21/09 (DokNr. 11000453), Az. VI R 41/10 (DokNr. 11000454) und Az. VI R 27/09 (DokNr. 11000455), die Anfang Februar 2011 veröffentlicht wurden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine bisher anders lautende Rechtsprechung (vgl. BFH vom 27.10.2004 - VI R 51/03) aufgegeben.

Ein Sachlohn (Sachbezug) kann bis zur Höhe von 44 € im Kalendermonat beitragsfrei in der Sozialversicherung und nach § 8 Abs. 2 S. 9 EStG steuerfrei sein.

Allerdings sind die strengen Anforderungen, die die Finanzverwaltung (bisher) an die Steuerfreiheit stellte, nur schwer zu erfüllen. So ist ein bei einem anderen Unternehmen einzulösender Warengutschein - bspw. ein Geschenk- oder Tankgutschein - nur dann ein Sachbezug, wenn die Ware oder Dienstleistung der Art und Menge nach konkret bezeichnet ist. Es darf weder ein anzurechnender Betrag noch ein Höchstbetrag angegeben werden. Außerdem muss der Arbeitgeber Vertragspartner des Unternehmens sein, bei dem der Gutschein einzulösen ist. Wird auch nur eine Voraussetzung nicht eingehalten, liegt nach (bisheriger) Auffassung der Finanzverwaltung eine steuerpflichtige Geldzahlung und eben kein begünstigter Sachbezug vor.

Nach den angesprochenen Entscheidungen können Tank- und Geschenkgutscheine jetzt doch steuerbefreiter Sachlohn sein. In den Urteilen werden erstmals Grundsätze für die Trennung zwischen Barlohn und Sachlohn aufgestellt. Die Frage, ob ein steuerpflichtiger Barlohn oder ein steuerbegünstigter Sachbezug vorliegt, entscheidet sich nach der Rechtsprechung nunmehr nach dem Rechtsgrund des Zuflusses: Auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung geht es um die Frage, welche Leistung ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann.

In den entschiedenen Fällen hatten Arbeitsgeber ihren Mitarbeitern das Recht eingeräumt, auf ihre Kosten gegen Vorlage einer Tankkarte bis zu einem Höchstbetrag von 44 € im Monat bei einer bestimmten Tankstelle zu tanken bzw. Geschenkgutscheine zum Geburtstag über jeweils 20 € bei einer großen Einzelhandelskette einzulösen bzw. die Mitarbeiter durften auf Kosten des Arbeitgebers bei irgendeiner Tankstelle 30 Liter Treibstoff tanken gegen Erstattung der Kosten durch den Arbeitgeber. Die Arbeitgeber hatten diese Zuwendungen jeweils als steuerbegünstigten Sachbezug beurteilt und unter Beachtung der angesprochenen Freigrenze keine Lohnsteuer einbehalten. Dem folgten die Finanzbehörden nicht. Unter Bezugnahme auf die Verwaltungsrichtlinien wurde ein steuerpflichtiger Barlohn angenommen und es wurden Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheide gegen die Arbeitgeber erlassen. Die Finanzgerichte folgten der Rechtsauffassung der Finanzbehörden.

Der Bundesfinanzhof entschied anders. In den drei Fällen wurde begünstigter Sachlohn angenommen, die Vorentscheidungen wurden aufgehoben und den Klagen stattgegeben.

Die Unterscheidung zwischen steuerpflichtigem Barlohn und begünstigtem Sachlohn müsse sich nach der Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils richten, nicht auf die Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs. Wenn ein Arbeitnehmer lediglich die Sache beanspruchen könne, komme eine Steuerbefreiung für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 EStG in Betracht. Dann sei auch unmaßgeblich, ob der Arbeitgeber selbst tätig werde, um den Anspruch zu erfüllen, oder ob er dem Arbeitnehmer gestatte, auf seine Kosten die Sache/n bei einem dritten Unternehmen zu kaufen. Ein Sachbezug liege damit auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer nicht mit der Auflage verbinde, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden.

Offen ist, inwieweit die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übernimmt. Gerade wenn diese geänderte Rechtsprechung exzessiv in einem Unternehmen angewendet werden soll, empfiehlt sich vorab die Abstimmung mit den Finanzbehörden und der Sozialversicherung. Geht man von nur 50 Arbeitnehmer aus, die die Begünstigung monatlich erhalten, addieren sich schnell hohe Beträge, weil die Prüfungen regelmäßig mehrjährige Zeiträume umfassen: Im Beispielfall würde es im fünfjährigen Prüfungszeitraum bereits um Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbeträge aus einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 132.000 € gehen (50 AN x 44 € für 60 Monate). Hinzu kommen Zinsen und ggf. Sozialversicherungsbeiträge. Andererseits ergeben sich für die Mitarbeiter entsprechend hohe Einsparungen, wenn die Rechtsprechung konsequent angewendet wird.

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