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Titel: Der Kapitalkostenabgleich in der Anreizregulierung – erste Praxiserfahrungen
Datum: 01.07.2019
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte
Dokumentennummer: 19005302 ebenso Versorgungswirtschaft 7/2019, Seite 197

Der Kapitalkostenabgleich in der Anreizregulierung – erste Praxiserfahrungen

- von Dipl.-Ing. Norbert Maqua, Berlin *

Mit der Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) im September 2016 wurde der Kapitalkostenabgleich eingeführt. Ziel war es, den Zeitverzug bei der Amortisierung von Investitionen abzuschaffen. Mit dem Kapitalkostenaufschlag (§ 10a ARegV) können jetzt Investitionen noch im Jahr der Investition verzinst werden. Im Gegenzug werden mit dem Kapitalkostenabzug (§ 6 ARegV) ab der dritten Regulierungsperiode entfallende Kapitalkosten abgezogen. Zusätzlich entfällt auch der Erweiterungsfaktor (§ 10 ARegV) für Verteilnetzbetreiber ab der dritten Regulierungsperiode. Gasnetzbetreiber konnten den Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2017 und Stromnetzbetreiber für das Jahr 2018 erstmalig beantragen. Wie zu erwarten war, gibt es bei der Umsetzung des Kapitalkostenabgleiches zahlreiche Diskussionspunkte zwischen den Netzbetreibern und den Regulierungsbehörden.

Einen aus Sicht der Netzbetreiber grundsätzlichen »Konstruktionsfehler«1 bei der Höhe der Eigenkapitalzinssätze haben wir bereits früher an dieser Stelle erläutert. Während bei dem Kapitalkostenabzug der effektive Mischzinssatz für den Eigenkapitalzins zur Anwendung kommt, wird für den Kapitalkostenaufschlag ein einheitlicher Eigenkapitalzinssatz angesetzt. Dieser wird mit einer fiktiven Eigenkapitalquote von 100 % berechnet. Damit ist der Gewichtungsanteil des (niedrigeren) EK2-Zinssatzes maximal. Für den Kapitalkostenabzug wird der Mischzinssatz mit der Eigenkapitalquote der letzten Kostenprüfung berechnet. Der Zinssatz für den Kapitalkostenabzug ist somit in der Praxis rd. 1% - 2% höher als beim Kapitalkostenaufschlag. Damit die Eigenkapitalverzinsung konstant bleibt, muss ein Netzbetreiber immer mehr investieren als kalkulatorisch abgeschrieben wird.

Anlagen im Bau

Anlagen im Bau sind in der Verzinsungsbasis zu berücksichtigen. Da die kalkulatorischen Abschreibungen erst mit der Aktivierung der Anlagen anfallen, ist die Aktivierung der Anlagen im Bau innerhalb einer Regulierungsperiode zu berücksichtigen. Hierzu gehen die Regulierungsbehörden davon aus, dass alle Anlagen im Bau im Folgejahr aktiviert werden. Dies entspricht für nahezu alle Fälle bei Verteilnetzbetreibern der Realität. Abweichungen von dieser Regel, etwa bei längerfristigen Projekten wie z. B. dem Neubau von Umspannwerken, werden von den Regulierungsbehörden nicht berücksichtigt.

Sind im Basisjahr Anlagen im Bau bilanziert, werden diese regulatorisch im Folgejahr

als aktiviert angesehen. Da die Anlagen im Bau des Basisjahres betriebsnotwendiges Vermögen sind, müssten sie eigentlich bei der Berechnung des Kapitalkostenabzuges berücksichtigt werden. Die Regulierungsbehörden sind jedoch der Auffassung, dass die (fiktive) Aktivierung der Anlagen im Bau dazu führt, dass die Investitionen bei dem Kapitalkostenaufschlag angesetzt werden müssen. Damit kommen die vorstehend beschriebenen Zinsunterschiede bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung zur Anwendung.

[…]

Berechnung des Kapitalkostenabzuges

Gemäß § 6 Abs. 3 ARegV setzen sich die Kapitalkosten, die bei der Berechnung des Kapitalkostenabzuges berücksichtigt werden, aus den kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, der kalkulatorischen Gewerbesteuer und dem Aufwand für Fremdkapitalzinsen zusammen.

Sind Anlagen kalkulatorisch vollständig abgeschrieben, so entfällt die kalkulatorische Abschreibung für diese Anlagen. Der Betrag der kalkulatorischen Abschreibungen, der im Basisjahr noch Bestandteil der Kapitalkosten war, wird dann beim Kapitalkostenabzug von den Kapitalkosten abgezogen.

Die Minderung der Eigenkapitalverzinsung ergibt sich aus der fortlaufenden kalkulatorischen Abschreibung. Der Betrag der kalkulatorischen Abschreibungen der im Basisjahr aktivierten Anlagen wird vom betriebsnotwendigen Eigenkapital abgezogen. Das geminderte betriebsnotwendige Eigenkapital wird dann mit dem tatsächlichen Mischzinssatz für das betriebsnotwendige Eigenkapital multipliziert. Damit sinkt die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung für Sachanlagen, die bis zum Basisjahr aktiviert wurden, innerhalb einer Regulierungsperiode kontinuierlich. Da die kalkulatorische Gewerbesteuer auf die jeweilige kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung berechnet wird, sinkt diese gleichfalls.

[…]

Kapitalkostenaufschlag

Das System des Kapitalkostenabgleiches fördert Investitionen. Damit entsteht ein Spannungsfeld zwischen der Investitionstätigkeit und der Betriebsnotwendigkeit von Investitionen. Der Begriff der »Betriebsnotwendigkeit« findet sich in den Netzentgeltverordnungen auch beim Umlaufvermögen. Daher besteht die Gefahr, dass der Begriff der Betriebsnotwendigkeit zu einer Investitionskontrolle führt. So werden von den Regulierungsbehörden bei der Bearbeitung von Anträgen zum Kapitalkostenaufschlag bereits Rückfragen gestellt, warum die geplanten Investitionen von den Vorjahreswerten abweichen, dies bezogen auf einzelne Anlagengruppen.

[…]

* Dipl.-Ing. Norbert Maqua ist Vorstand der enwima AG in Berlin.

1 Gersemann/Maqua, VersorgW 2016, 297, DokNr. 16003976.

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