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Titel: Was sind Lohnzusatzleistungen i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV?
Datum: 01.11.2012
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: Betriebswirtschaft, Energie(wirtschafts)recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte
Dokumentennummer: 12002011 ebenso Versorgungswirtschaft 11/2012, Seite 283

Was sind Lohnzusatzleistungen i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV?

Abstract

Rechtsanwalt FAArbR Dr. Patrick Mückl stellt sich der bisher kaum geklärten Frage: Was sind Lohnzusatzleistungen i. S. d. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV?

Bei der Ermittlung von Obergrenzen sind die durch den Netzbetreiber beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu unterscheiden. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV regelt, dass Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen, dauerhaft nicht beeinflussbar sind. Vor dem Hintergrund, dass Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen fast ein Drittel der Personalkosten des Netzbetreibers ausmachen und zwischen 100.000 und mehreren Millionen Euro liegen können, kommt der Auslegung des Begriffs Lohnzusatzleistung eine wichtige Bedeutung zu, zumal eine Definition durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber fehlt. Insbesondere weist der Autor dabei auf die Schwierigkeiten bei Leistungen mit Mischcharakter wie z.B. Boni, die sowohl die Leistung als auch die Betriebstreue honorieren sollen, hin.

Änderungen der vor dem 1.1.2009 abgeschlossenen tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen beenden jedoch die Privilegierung nach § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV. Sollten Änderungen unvermeidlich sein, zeigt der Autor anhand Parallelen in der BAG Rechtsprechung, worauf zu achten ist, insbesondere bei arbeitsvertraglicher Inbezugnahme tariflicher Regelungen.


Leseprobe

-von RA FAArbR Dr. Patrick Mückl, Düsseldorf* -

Die Anreizregulierung soll die Netzbetreiber zu einer effizienten Betriebsführung animieren.1 Die nach § 21a Abs. 6 EnWG erlassene Anreizregulierungsverordnung (ARegV) sieht dazu vor, dass für die Netzbetreiber vor Beginn einer Regulierungsperiode Obergrenzen für die Gesamterlöse der jeweiligen Regulierungsperiode festgelegt werden. Bei der Ermittlung von Obergrenzen sind die durch den jeweiligen Netzbetreiber beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu unterscheiden (§ 21a Abs. 4 EnWG). § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV regelt insoweit, dass Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen, soweit diese in der Zeit vor dem 31.12.2008 abgeschlossen worden sind, dauerhaft nicht beeinflussbar sind. Obwohl es sich dabei um einen erheblichen Anteil der gesamten Personalkosten handelt, der fast ein Drittel der Personalkosten des Netzbetreibers ausmachen und zwischen 100.000 und mehreren Millionen Euro liegen kann,2 ist bislang insbesondere kaum geklärt, welche Leistungen als „Lohnzusatzleistungen“ i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV zu qualifizieren sind.

I. Orientierung an Gesetzen oder Rechtsverordnungen?

Lohnzusatzleistungen sind weder gesetzlich noch in der ARegV oder anderen Rechtsverordnungen definiert.3

1. Negativabgrenzung vom Lohnbegriff des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG?

Auch eine Negativabgrenzung von dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugrunde liegenden Lohnbegriff führt nicht weiter.4 Denn der Begriff „Lohn“ i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist nach der Rechtsprechung des BAG „nicht beschränkt auf die im Synallagma stehenden Entgeltbestandteile, sondern betrifft alle Formen der Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt werden“.5

2. Negativabgrenzung zum Begriff „Lohnersatzleistungen“ und „Arbeitgeberzuschuss“?

Denkbar ist ferner der Versuch einer weiteren Negativabgrenzung anhand von sog. „Lohnersatzleistungen“ und „Arbeitgeberzuschüssen“. Denn Lohnersatzleistungen bezeichnen als Oberbegriff diejenigen geldlichen Kompensationsleistungen, die Entgeltersatzfunktion haben,6 also den Lohn ersetzen. Denkbar wäre daher, alle hierunter zu subsumierenden Leistungen aus dem Begriff „Lohnzusatzleistungen“ auszugrenzen. Arbeitsrechtlich gehören zu den Lohnersatzleistungen die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld.7 Lohnersatzleistungen der Sozialversicherung sind das Krankengeld, das Mutterschaftsgeld, das Elterngeld, das Verletztengeld bei Arbeits- und Wegeunfällen, das Übergangsgeld, das Arbeitslosengeld, das Kurzarbeitergeld sowie das Insolvenzgeld nach § 165 SGB III.8 Der Terminus „Arbeitgeberzuschuss“ bildet demgegenüber den Oberbegriff für Zuschussleistungen, die der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer erbringt.9 Es kann sich um Zuschüsse zu Aufwendungen des Arbeitnehmers handeln, die zu dessen persönlichem Lebensbedarf gehören und die der Arbeitgeber aus sozialen Gründen bezuschusst, obwohl hierzu keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Beispiele hierfür sind der Essens- und/oder Fahrtkostenzuschuss für zur privaten Lebensführung gehörende Fahrten. Es kann sich ferner um Zuschüsse handeln, die zusätzlich zu Lohnersatzleistungen der Sozialversicherungsträger in bestimmten sozialen Situationen gewährt werden, z.B. ein Zuschuss zum Krankengeld im Fall der über 6 Wochen hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit und der Zuschuss zum Verletztengeld beim Arbeitsunfall nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes sowie der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld10 oder Unterhaltsgeld, das während einer Umschulung gezahlt wird.11

Weder der Begriff „Lohnersatzleistung“ noch der Begriff „Arbeitgeberzuschuss“ ist aber gesetzlich definiert und ermöglicht eine saubere Trennung i. S. einer Definition.

* Dr. Patrick Mückl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in den Fachbereichen Arbeitsrecht und Energy bei Noerr LLP. Er berät und vertritt vom Düsseldorfer Büro der Sozietät aus Energiewirtschaftsunternehmen in allen Fragen des Arbeitsrechts.

1 Scholtka/Baumbach, NJW 2008, 1128, 1130; Trümner/Lerch, Anreizregulierung als Methode zur Ausgestaltung der Entgeltregulierung, 2009, S. 22 m. w. N.

2 Trümner/Weinbrenner, Rechtmäßigkeit der Anreizregulierung (ARegV) unter besonderer Berücksichtigung der Kosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen gem. § 11 Abs. 2 Nr. 9 ARegV, 2010, S. 8; dies., ZNER 2010, 367, 368 m. w. N.

3 Trümner/Lerch, (Fn. 1) S. 52; Targan/Wagenfeld, N&R 2010, 131 f.

4 Vgl. Trümner/Lerch, (Fn. 1) S. 52.

5 BAG v. 8.11.2011 - 1 ABR 37/10, NZA 2012, 462.

6 Küttner/Griese, Personalbuch 2012, 19. Aufl. (2012), Lohnersatzleistungen Rn. 1.

7 Küttner/Griese, (Fn. 6) Lohnersatzleistungen Rn. 1.

8 Küttner/Griese, (Fn. 6) Lohnersatzleistungen Rn. 1.

9 Küttner/Röller, (Fn. 6) Arbeitgeberzuschuss Rn. 1.

10 BAG 28.5.1996 - 3 AZR 752/95, NZA 1997, 101.

11 BAG 24.11.1993 - 4 AZR 225/93, NZA 1994, 471.

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