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Titel: Zur Antragsstellung für Neufestlegung der Erlösobergrenzen nach Teilnetzübergang gemäß § 26 Abs. 2 ARegV
Behörde / Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen)
Datum: 05.03.2014
Aktenzeichen: VI-3 Kart 61/ 13 (V)
Gesetz: EnWG, ARegV
Artikeltyp: Rechtsprechung
Kategorien: Energie(wirtschafts)recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte
Rechtsstand: Rechtsmittel eingelegt; BGH, Az EnVR 18/14
Dokumentennummer: 14002696

Zur Antragsstellung für Neufestlegung der Erlösobergrenzen nach Teilnetzübergang gemäß § 26 Abs. 2 ARegV

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2014 – VI-3 Kart 61/ 13 (V)

Leitsätze des Gerichts:

  1. § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV setzt für die Aufteilung der Erlösobergrenzen nach einem Teilnetzübergang weder einen gemeinsamen Antrag noch inhaltlich übereinstimmende Anträge voraus. Aus dem Antragsprinzip folgt nur, dass die Regulierungsbehörde die Erlösobergrenzen nicht auf eigene Initiative von Amts wegen festsetzt.
  2. Auch einem inhaltlich übereinstimmenden Antrag der beteiligten Netzbetreiber kommt keine präjudizierende, die Regulierungsbehörde bindende Wirkung zu, sondern es besteht auch dann ein Prüfungsauftrag der zuständigen Regulierungsbehörde, die die Entscheidung über die Aufteilung der Erlösobergrenzen eigenständig, ohne Bindung an den Antrag und dessen Begründung trifft.
  3. Die beteiligten Netzbetreiber sind im Falle der Uneinigkeit über die Aufteilung der Erlösobergrenzen nicht auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Vielmehr können sie im Rahmen des Festlegungsverfahrens nach § 26 ARegV bei der zuständigen Regulierungsbehörde voneinander abweichende Anträge stellen; es genügt der Antrag eines der beteiligten Netzbetreiber, um das Festlegungsverfahren in Gang zu setzen.
  4. Die Regulierungsbehörde hat im Rahmen des Verfahrens die beteiligten Netzbetreiber zur Herausgabe der erforderlichen Informationen aufzufordern und eine sachgerechte Aufteilung der Erlösobergrenzen vorzunehmen.

Sachverhalt (Auszüge):

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des sich im Stadtgebiet ... befindlichen Elektrizitätsversorgungsnetzes Mittel- und Niederspannung. Das Mittelspannungsnetz war bis zum ... an die Beteiligte verpachtet.

Seit dem ... ist der unmittelbare Besitz an den Versorgungsanlagen und damit auch die Pflicht, diese zu betreiben, an die Beschwerdeführerin zurückgefallen. […] Zwischen der Beschwerdeführerin und der Beteiligten fanden ab ... Gespräche zur Abstimmung der mit der Übertragung des Netzbetriebs zusammenhängenden Rechte und Pflichten statt. Hinsichtlich des zu stellenden Antrags auf Neufestlegung der Erlösobergrenzen bot die Beteiligte im ... an, dem übergehenden Teilnetz eine anteilige Erlösobergrenze i.H.v. ... Euro (ohne Kosten für die Inanspruchnahme des vorgelagerten Netzes) zuzuordnen. […]

Unter dem ... beantragte die Beschwerdeführerin im Wege eines Missbrauchsverfahrens die Überprüfung des Verhaltens der Beteiligten im Zusammenhang mit der Neufestlegung der Erlösobergrenzen, insbesondere ihrer Weigerung, weitere Daten und Informationen herauszugeben, und regte an, diese zur Herausgabe der begehrten Daten zu verpflichten. Mit Schreiben vom ... teilte die Bundesnetzagentur mit, dass ein Verfahren nach § 31 EnWG nicht einschlägig sei und der Missbrauchsantrag daher als eine Beschwerde mit der Bitte um amtsseitige Ermittlung ausgelegt werde. Mit Schreiben vom ... widersprach die Beschwerdeführerin dieser Auslegung […].

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 5.3.2013 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag ab. Dieser sei jedenfalls unbegründet, denn die geltend gemachten Informationsansprüche ließen sich nicht aus § 26 Abs. 2 ARegV herleiten. Die Bestimmung gewähre keinen Anspruch auf Überlassung von Informationen, sondern beziehe sich ausschließlich auf das Verhältnis der beteiligten Netzbetreiber zu der Regulierungsbehörde. Ob sich ein derartiger Anspruch aus einer vertraglichen Nebenpflicht ergebe, könne dahinstehen. Einigten sich der abgebende und der aufnehmende Netzbetreiber nicht über den erforderlichen übereinstimmenden Antrag, müsste zur Durchsetzung dieser Rechtsinteressen zivilgerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin, mit der sie geltend macht, dass die Ablehnung des Missbrauchsantrages rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Durch die Weigerung, die für die Herleitung der Erlösobergrenzenaufteilung notwendigen Daten offen zu legen, habe sich die Beteiligte missbräuchlich im Sinne des § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG verhalten.

Aus den Gründen (Auszüge):

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. […] Haupt- und Hilfsantrag sind jedoch unbegründet. Die Bundesnetzagentur hat den Missbrauchsantrag der Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings hat sie das in den Missbrauchsantrag gipfelnde Verfahren rechtlich fehlerhaft bearbeitet und die Stellung sachdienlicher Anträge nicht gefördert. […]

Der Argumentation der Beschwerdeführerin, der geltend gemachte Verstoß gegen § 26 ARegV betreffe schon deswegen eine Frage des Netzzugangs, weil die Regelungen der ARegV eine Methode zur Bestimmung von Entgelten für den Netzzugang vorgäben und die Aufteilung der Erlösobergrenzen Auswirkungen auf die Netzentgelte habe, ist entgegen zu halten, dass nicht jede entfernte Berührung von Belangen, die sich auf die Höhe der Netzentgelte auswirken können, eine Betroffenheit im Sinne des § 31 EnWG begründen kann. Letztlich bedarf die Statthaftigkeit des Missbrauchsverfahrens keiner Entscheidung, da jedenfalls die materiellen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Bundesnetzagentur im Wege der Missbrauchsaufsicht nicht vorliegen. Die Weigerung der Beteiligten, der Beschwerdeführerin im Vorfeld der Antragstellung nach § 26 ARegV die gewünschten Daten zu überlassen, stellt keinen Verstoß gegen § 26 ARegV dar, da diese Vorschrift eine entsprechende Verpflichtung nicht begründet. […]

Bei Teilnetzübergängen wird die nach § 54 EnWG zuständige Regulierungsbehörde gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV ausschließlich auf Antrag der am Netzübergang beteiligten Netzbetreiber tätig. Entgegen der im Verwaltungs- wie im Beschwerdeverfahren sowie in dem Leitfaden der Regulierungsbehörden zu Inhalt und Struktur von Anträgen auf Neufestlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen nach § 26 Abs. 2 ARegV, Stand September 2011, vertretenen Auffassung der Bundesnetzagentur setzt § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV aber weder einen gemeinsamen Antrag noch inhaltlich übereinstimmende Anträge voraus. Aus dem Antragsprinzip folgt nur, dass die Regulierungsbehörde die Erlösobergrenzen nicht auf eigene Initiative von Amts wegen festsetzt. Jedoch binden die Vorstellungen der beteiligten Netzbetreiber die Behörde nicht bei ihrer Prüfung, welcher Erlösobergrenzenanteil dem übergehenden Netzteil zuzurechnen ist […].

Der Annahme, dass die Ermittlung des zurechenbaren Erlösobergrenzenanteils dem Dispositionsprinzip der Parteien unterfiele, steht bereits entgegen, dass die Neufestlegung der Erlösobergrenzen gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 ARegV durch Festlegung oder Genehmigung der Regulierungsbehörde erfolgt.

Diese muss bei der Neufestlegung eine sachgerechte Aufteilung vornehmen. Auch nach einem Teilnetzübergang sollen Erlösobergrenzen zur Anwendung gelangen, die den beteiligten Netzbetreibern Anreize für eine effiziente Leistungserbringung setzen. Zugleich muss sichergestellt sein, dass die zu beachtenden Effizienzvorgaben erreichbar und übertreffbar im Sinne des § 21a Abs. 5 S. 4 EnWG sind. Um diese im öffentlichen Interesse stehenden Ziele zu erreichen, ist eine eigenständige Prüfung der zuständigen Regulierungsbehörde unter Anwendung des für regulierungsbehördliche Verfahren gem. § 68 EnWG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes unumgänglich […].

Die Ansicht, § 26 Abs. 2 ARegV setze einen übereinstimmenden, die Regulierungsbehörde bindenden Antrag voraus, findet im Wortlaut der Norm keine Stütze. Soweit S. 1 bestimmt, dass die Erlösobergrenzen »auf Antrag« der beteiligten Netzbetreiber festzulegen sei, enthält diese Formulierung keinerlei Vorgaben betreffend den Antragsinhalt. Zudem richtet sich der Antrag nicht auf die Genehmigung eines Erlösobergrenzenanteils, sondern auf dessen Neufestlegung. Bereits daraus ergibt sich, dass die beantragte Neufestlegung durch die Behörde unabhängig von den im Antrag zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen erfolgt. […]

Einigen sich die beteiligten Netzbetreiber nicht über die Aufteilung der Erlösobergrenzen, können sie demzufolge voneinander abweichende Anträge stellen. Insoweit genügt bereits der Antrag eines der beteiligten Netzbetreiber, um das Festlegungsverfahren in Gang zu setzen […].

Die Bundesnetzagentur geht fehl in der Annahme, die Netzbetreiber seien im Falle der Uneinigkeit über die Aufteilung der Erlösobergrenzen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Dies hätte zur Folge, dass eine im zivilrechtlichen Instanzenzug erstrittene Entscheidung über die Aufteilung der Erlösobergrenzen die Regulierungsbehörde binden und damit ein mit der Materie nicht vertrautes Zivilgericht über eine der Entscheidung der Regulierungsbehörden zugewiesene Materie abschließend entscheiden würde. Dem steht bereits entgegen, dass es bei der Neufestlegung der Erlösobergrenzen nicht um die Entscheidung eines Streits zwischen dem aufnehmenden und dem abgebenden Netzbetreiber geht, der vor den Zivilgerichten auszutragen wäre, sondern um die hoheitliche Festlegung von Obergrenzen für diejenigen Erlöse, die der Netzbetreiber von den Netznutzern vereinnahmen darf.

Sind sich die beteiligten Netzbetreiber bei einem Teilnetzübergang über die Aufteilung der Erlösobergrenzen nicht einig, können sie ausweislich der voranstehenden Ausführungen voneinander abweichende Anträge stellen bzw. durch den Antrag eines der beteiligten Netzbetreiber das Festlegungsverfahren bei der Regulierungsbehörde einleiten. Da gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 ARegV in dem Antrag anzugeben und zu begründen ist, wie die Aufteilung der Erlösobergrenze erfolgen soll, ist hinsichtlich der für die Antragstellung erforderlichen Informationen grundsätzlich eine Datenübermittlung vom abgebenden an den aufnehmenden Netzbetreiber erforderlich.

Stellt der abgebende Netzbetreiber nicht selbst einen Antrag, muss demnach sichergestellt sein, dass die Aufteilung der Erlösobergrenzen auf Antrag des aufnehmenden Netzbetreibers erfolgen kann. Verweigert der abgebende Netzbetreiber die Übermittlung jeglicher Daten, die eine Antragstellung erst ermöglichen, ist es jedoch nicht erforderlich, ihn mittels eines Missbrauchsverfahrens dazu zu veranlassen. Da letztlich ohnehin die Regulierungsbehörde über die sachgerechte Aufteilung der Erlösobergrenzen zu befinden hat und die Regulierungsbehörde im Rahmen dieses Verfahrens die erforderlichen Daten von den beteiligten Netzbetreibern anfordern kann, ist es vielmehr ausreichend, dass der aufnehmende Netzbetreiber unter Hinweis auf die fehlende Datenübermittlung die Aufteilung der Erlösobergrenzen beantragt. […]

Die Prüfung des Antrags der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Verfahrens nach § 26 Abs. 2 ARegV ist jedoch zu Unrecht unterblieben, weil die Bundesnetzagentur an dem Erfordernis einer übereinstimmenden Antragstellung festgehalten und die Beschwerdeführerin auf den Zivilrechtsweg verwiesen hat, statt auf die Einleitung eines Verfahrens nach § 26 ARegV hinzuwirken. Indem die Bundesnetzagentur ihre Aufgabe und Kompetenz, als zuständige Regulierungsbehörde über divergierende Anträge auf Aufteilung der Erlösobergrenze von Amts wegen zu entscheiden, verkannt und sich auf den Standpunkt zurückgezogen hat, eine Aufteilung der Erlösobergrenzen nur auf übereinstimmenden Antrag hin vornehmen zu müssen, hat sie die Einleitung des Missbrauchsverfahrens provoziert. […]

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat.

1 Den vollen Wortlaut der Entscheidung finden Sie auf unserem Portal vkw-online.eu unter DokNr. 14002696.

Bitte den Beschluss über unten stehenden Link öffnen.

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