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Titel: Informationspflichten über Tarifänderungen bei der Grundversorgung – Rechtsfolgen aus dem EuGH-Urteil vom 23.10.2014, C-359/11 und C-400/11
Datum: 01.02.2015
Artikeltyp: Aufsätze
Kategorien: EU-Recht, Gebühren- und Beitragsrecht; Strom- und Gastarife; Netzentgelte, Zivilrecht
Dokumentennummer: 15003367 ebenso Versorgungswirtschaft 2/2015, Seite 37

Informationspflichten über Tarifänderungen bei der Grundversorgung – Rechtsfolgen aus dem EuGH-Urteil vom 23.10.2014, C-359/11 und C-400/11

- von Prof. Dr. Kurt Markert, Berlin-*

Vorbemerkung der Redaktion: Der vorliegende Beitrag nimmt in der Versorgungswirtschaft erneut Stellung zu dem für die Versorgungsbranche wichtigen Urteil des EuGH vom 23.10.2014, grundversorgte Strom- und Gaskunden über Anlass, Voraussetzungen und Umfang von Tarifänderungen zu informieren. Insbesondere stellt der Beitrag auf die Rechtsfolgen des Urteils ab. Neben der Frage, inwieweit Rückforderungsansprüche der Verbraucher zurückreichen können, geht der Beitrag auch auf die nationale Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien zu den Informationspflichten durch die erst am 30.10.2014 in Kraft getretene Transparenzverordnung ein. Ansprüche der Verbraucher gegenüber den Versorgern aus der nicht fristgemäßen Umsetzung werden von Brändle in seiner Urteilsanmerkung in Versorgungswirtschaft 2014 (Heft12), 332 als nicht möglich angesehen. Die Kunden seien vielmehr darauf verwiesen, ihren Schaden gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend zu machen. Dem folgt Markert im nachfolgenden Beitrag nicht. Es treffe nicht zu, dass bei nicht fristgemäßer Umsetzung von EU-Richtlinien davon betroffene Verbraucher nur die Möglichkeit hätten, den verantwortlichen Mitgliedstaat auf Schadensersatz zu verklagen. Insgesamt darf die Berücksichtigung des EuGH-Urteils durch den BGH in den mit Rücksicht auf diese Entscheidung ausgesetzten Verfahren mit Interesse erwartet werden.

(…)

2. Die Nichterfüllung der europarechtlichen Verbraucherschutzanforderungen durch das aus den genannten Verordnungsvorschriften vom BGH gefolgerte gesetzliche Preisbestimmungsrecht der Versorger von Tarif- und Grundversorgungskunden hat die Unwirksamkeit dieses Rechts zur Folge. Entsprechendes hat der BGH im RWE-Urteil vom 31.7.20131 bereits für das diesem Recht unverändert nachgebildete vertragliche Preisanpassungsrecht der Versorger von Sonderkunden entschieden. Für das gesetzliche Recht selbst kann nach dem EuGH-Urteil vom 23.10.2014 nichts anderes gelten. Dies bedeutet, dass alle im Zeitraum seiner Unwirksamkeit auf dieses Recht gestützten einseitigen Tarif- und Preiserhöhungen der Versorger ebenfalls unwirksam sind. Bereits geleistete Kundenzahlungen sind daher insoweit ohne Rechtsgrund erfolgt und können grundsätzlich nach § 812 BGB zurückgefordert werden. Ebenso sind insoweit noch bestehende Außenstände der Versorger nicht mehr durchsetzbar. Beides gilt unabhängig davon, ob die jeweilige Erhöhung bei unterstellter Wirksamkeit des Preisbestimmungsrechts der Billigkeit nach § 315 BGB entsprechen würde oder der Kunde auf freiwilliger Basis rechtzeitig vorher über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Erhöhung informiert wurde.

3. Der Rückzahlungsanspruch des Kunden nach § 812 Abs. 1 BGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er die Erhöhung nicht zeitnah beanstandet hat. ….

* Prof. Dr. Kurt Markert ist Honorarprofessor am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin und war von 1987 bis zu seiner Pensionierung 1998 Vorsitzender der für die Energiewirtschaft zuständigen 8. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes.

1 BGH vom 31.7.2013 (Fn. 5), Rn. 55 - 59. Rdn. 55: »An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen…«. Entgegen Brändle (Fn. 1) trifft es deshalb nicht zu, dass bei nicht fristgemäßer Umsetzung von EU-Richtlinien davon betroffene Verbraucher nur die Möglichkeit hätten, den verantwortlichen Mitgliedstaat auf Schadensersatz zu verklagen.

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