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VZ Hessen plant Musterfeststellungsklage gegen Stromio

23.02.2022 Nach der Kündigung tausender Stromlieferverträge durch den Energie-Discounter Stromio Ende 2021 geht die Verbraucherzentrale (VZ) Hessen juristisch gegen diesen vor. Man halte die Kündigungen für rechtswidrig und bereite eine Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen vor, teilte die Zentrale mit. Allein in Hessen seien mehr als 10.000 Kunden betroffen, der Klage können ehemalige Stromiokunden aus der gesamten Bundesrepublik beitreten. Stromio hatte wie andere Anbieter die Stromlieferung unter Verweis auf stark gestiegene Beschaffungspreise eingestellt. Die gekündigten Verbraucher werden zwar von ihren sogenannten Grundversorgern weiter mit Strom beliefert - aber oft nur zu stark erhöhten Neukunden-Tarifen, die auch deutlich über den vereinbarten Stromio-Preisen liegen. Hier sehen die Anwälte den Ansatz für Schadenersatz. Das Unternehmen wollte die noch nicht vorliegende Klage nicht kommentieren. Sie ließ über eine Anwaltskanzlei mitteilen, dass sie die Kündigungen bedauere. Die jüngsten Preisexplosionen seien in diesem Maße nicht vorherzusehen gewesen. Bestehende Kundenbeziehungen würden „sachgerecht und kundenorientiert“ abgewickelt. Dabei würden zustehende Guthaben und anteilige Boni an die Kunden ausgezahlt. Die Klageschrift soll beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht werden. Je nach Laufzeit erwarte man erhebliche Schadenssummen von mehreren hundert Euro pro Vertrag, erklärte die VZ. Sie forderten die Betroffenen auf, die Verträge und Zählerstände genau zu dokumentieren, um die Ansprüche später belegen zu können. Wer betroffen ist, kann sich in das Klageregister eintragen, um von den Wirkungen der Klage zu profitieren. Nach Einreichung der Musterfeststellungsklage werde beim Bundesamt für Justiz ein Klageregister eingerichtet, in das sich Betroffene kostenlos eintragen können. Die Hessen sind nach eigenen Angaben die erste Verbraucherzentrale, die eine Musterfeststellungsklage gegen Stromio einreicht. Auch der Grundversorger EnBW aus Karlsruhe hat eine Klage gegen Stromio angekündigt. Weiter haben die Verbraucherzentrale Hessen und das Hessische Verbraucherschutzministerium einen Vorschlag zur Regulierung der Energiemärkte erarbeitet. Die Anbieter sollen verpflichtet werden, ihre über eine längere Zeitachse gestreuten Lieferpositionen offenzulegen. Dies sei ein Indikator für Preisstabilität im Abgabepreis an Haushaltskunden - mithin ein Indiz für eine eingeschränkte Volatilität. Die erhöhte Transparenz auf dem Energiemarkt sollte sich auf die Fristigkeit der eingekauften oder durch Termingeschäfte abgesicherten Mengenpositionen beziehen. Dieser Indikator soll danach verpflichtend in das Informationsbündel der Vergleichsportale aufgenommen werden. Energielieferanten sollen gegenüber Haushaltskunden - analog ihrer Pflichtangaben zum Energiemix und zu den Preiskomponenten - ihre jeweilige Volatilitätsposition in der Zulieferposition offenlegen, die sie für ihre Energiezukaufpositionen zu einem festgelegten Stichtag anzeigen müssen. Dabei sollen drei oder vier Zeitsegmente dargestellt (z.B. <30 Tage, <90 Tage, <360 Tage, > 360 Tage etc.) und Gewichtungen in Prozentpunkten angegeben werden. So sollen Fehlentwicklungen schneller verdeutlicht und durch Marktbeobachtung, z.B. der Verbraucherzentralen kurzfristig erkennbar werden, wenn sich die Quoten verändern. Nach Auffassung der VZ greift eine solche Angabe nicht wesentlich in die unternehmerische Freiheit oder in Geschäftsgeheimnisse (Einkaufsstrategie, Kostenposition) ein. Zudem sei bei diesem Regulierungsansatz kein Aufbau neuer staatlicher Strukturen notwendig. Das nach § 41c EnWG zu schaffende neutrale Vergleichsinstrument für Energiepreise und die bestehenden Vergleichsportale sollen die Fristigkeit bei ihrer Bewertung künftig einbeziehen. Der Bund soll zusätzlich eine mindestens stichprobenartige Kontrolle der angezeigten Gewichtungen sicherstellen. - Quelle: VZ Hessen -

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