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tragssatzung keine eigene Begriffsdefinition enthält (VG Cott-
bus, Beschluss v. 4.3.2013, VG 6 L 301/12). Der Begriff der
baulichen Anlage nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BbgBO ist insoweit
weitergehend als der Begriff des Gebäudes und umfasst
bspw. Lagerplätze. Es werden damit auch diejenigen denk-
baren Fälle (gewerbliche Nutzung des jeweiligen Grund-
stücks als Lagerplatz, Ausstellungsplatz, Campingplatz bzw.
Parkplatz) erfasst, in denen auf geringfügig bzw. gar nicht
mit Gebäuden i.S.d. § 2 Abs. 2 BbgBO bebauten Außenbe-
reichsgrundstücken eine (genehmigte) gewerbliche Nutzung
mit Abwasserrelevanz erfolgt.
Nach § 6 Buchst. d und g ABS 2012 gelten diejenigen Flä-
chen als Grundstücksfläche, die durch die Entwässerungsan-
lage baulich oder gewerblich nutzbar sind, jedoch nicht aus-
drücklich auch diejenigen erfasst sind, die sogar tatsächlich
baulich oder gewerblich genutzt werden. Es muss in diesem
Zusammenhang nämlich jedenfalls im Sinne einer beitrags-
rechtlich nach Maßgabe des Vorteilsbegriffs in § 8 Abs. 2 und
6 KAG zulässigen Betrachtung und Satzungsauslegung
davon ausgegangen werden, dass Grundstücke, die tatsäch-
lich im beschriebenen Sinne genutzt werden, auch dement-
sprechend nutzbar sind. Das »Genutzt werden« ist demnach
von dem »Nutzbar sind« denklogisch mit umfasst.
Nach § 7 Abs. 2 ABS 2012 gilt bei Grundstücken, für die im
Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse nur eine
Baumassenzahl ausgewiesen ist, die durch 2,8 geteilte Bau-
massenzahl, jeweils gerundet bei Bruchzahlen bis 0,5 auf die
vorausgehende volle Zahl und bei Bruchzahlen über 0,5 auf
die nächstfolgende volle Zahl. Eine solche kaufmännische
Rundung ist mit dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitsge-
bot vereinbar (u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v.
14.7.2015, 9 S 44.14, juris; Urteil v. 23.7.2013, 9 B 64.11, juris)
wie der Teiler von 2,8 für die Baumassenzahl.
Die Regelung verstößt nicht gegen den Grundsatz der kon-
kreten Vollständigkeit, weil sie keine Auffangvorschrift in der
Weise enthält, dass jedenfalls mindestens ein Vollgeschoss
angesetzt wird. Für den Fall, dass die Baumassenzahl geteilt
durch 2,8 einen Wert von kleiner als 0,5 ergeben würde, wäre
nach der kaufmännischen Rundungsregelung auf die voraus-
gehende volle Zahl abzurunden. Daraus ergäbe sich eine sog.
»Abrundung auf Null«, welche mit dem Vorteilsprinzip nicht
vereinbar wäre. Es fehlt hier an sich an einer eindeutigen und
vollständigen satzungsmäßigen Regelung für die Verteilung
des beitragsfähigen Aufwands auf die beitragspflichtigen
Grundstücke. Dieser Mangel kann nur durch eine wertende
Entscheidung des Satzungsgebers im Rahmen des ihm zu-
stehenden Gestaltungsspielraums behoben werden. Die dar-
gestellte Lückenhaftigkeit der Maßstabsregelungen in § 7
Abs. 2 Nr. 2 ABS 2012 ist im vorliegenden Fall jedoch aus-
nahmsweise unschädlich, da auf die Maßstabsregelungen für
diese Grundstücke verzichtet werden kann. Der Grundsatz
der konkreten Vollständigkeit erfordert insoweit nämlich nicht,
dass für alle irgendwie »denkbaren« Fälle eine Maßstabs-
regelung in der Satzung vorhanden sein muss, sondern nur
für die »realistischerweise« zu erwartenden Fälle. Der ge-
schilderte Fall ist vorliegend aber nicht realistischerweise zu
erwarten. Denn laut der vom Beklagten verwendeten Voll-
geschossdefinition gemäß § 7 Abs. 7 ABS 2012 – entspre-
chend § 2 Abs. 6 BbgBO n.F. – gilt als Vollgeschoss jedes
oberirdische Geschoss, dessen Deckenoberkante im Mittel
mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt. Es
ist nicht zu erwarten, dass ein Gebäude in einem Gewerbe-
oder Industriegebiet (Baumassenzahlen werden regelmäßig
in solchen Gebieten festgelegt) niedriger als 1,40 m ist.
§ 7 Abs. 2 Nr. 6 ABS 2012, wonach mindestens ein Vollge-
schoss angesetzt wird, wenn in einem Bebauungsplan eine
bauliche Nutzung ohne Bebauung festgesetzt ist, begegnet
ebenfalls keinen Bedenken. Die Regelung erfasst diejenigen
Grundstücke, in denen kein Vollgeschoss verwirklicht wer-
den darf, die aber gleichwohl baulich nutzbar sind bzw. ge-
nutzt werden (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Regelung
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.4.2012, 9 B 62.11, juris;
VG Cottbus, Urteil v. 24.6.2015, 6 K 336/13, juris). Nicht er-
fasst davon sind zwar Grundstücke, für die der Bebauungs-
plan zwar eine Bebauung festsetzt, diese Bebauung jedoch
kein Vollgeschoss verwirklichen darf – wie etwa in Wochen-
endhausgebieten denkbar.
Erschließungsbeiträge
DokNr. 18004534
Selbständigkeit von Parkplätzen im
Erschließungsbeitragsrecht
– Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 08.11.2016 – 9 A
156/15 –
Leitsatz der Redaktion:
Eine Parkfläche stellt keine (abrechnungsfähige) selbständi-
ge Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB dar,
wenn sie aus städtebaulichen Gründen für die Erschließung
eines Baugebietes nicht notwendig ist.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer
Vorausleistung auf einen Erschließungsbeitrag i.H.v. 3.544,61
für die Herstellung der Straße »Zum S.«. Am 11.12.2014 be-
schloss die Gemeindevertretung die Erschließung der Straße
»Zum S.« als Einbahnstraßenring mit seitlichen Parkflächen
und anschließender Fußgängerzone. Noch während der Durch-
führung der Maßnahme, nämlich am 8.5.2015, erließ der
Beklagte gegenüber dem Kläger einen Bescheid über die
Heranziehung zu einer Vorausleistung eines Erschließungs-
beitrages (§§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitrags-
satzung der Gemeinde – EBS). Der Erschließungsaufwand sei
nach Abzug des Gemeindeanteils von 10% auf die erschlos-
senen Grundstücke des Abrechnungsgebietes nach den
Grundstücksflächen verteilt worden. Gegen den Bescheid
legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Ausset-
zung der Vollziehung. Es seien nicht eine, sondern drei für
sich selbständige Erschließungsanlagen (eine Erschließungs-
anlage für das »X«, eine als eigenständiger Parkplatz und
eine als befahrbare Promenade) hergestellt worden. Als Mit-
eigentümer des »X« sei er allenfalls anteilig an dem ersten
Stück der Erschließungsanlage zu beteiligen. Da sich nach
dem Bebauungsplan die Bebaubarkeit des Grundstücks »X«
nur auf eine Teilfläche beziehe, hätte nicht die gesamte
Fläche, sondern nur die für eine Bebauung zulässige Teil-
fläche mit dem Faktor 1,5 bewertet werden dürfen.
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Die Vorausset-
zungen für die Erhebung einer Vorausleistung lagen zur Zeit
des Erlasses des Bescheides am 8.5.2015 vor, da zu diesem
Zeitpunkt die Bauarbeiten bereits am 9.3.2015 begonnen hat-
ten, die sachliche Beitragspflicht mangels Widmung der Stra-
ße »Zum S.« und mangels Schlussabnahme jedoch noch nicht
entstanden war.
Die Maßnahme findet ihre Grundlage in dem Bauprogramm
gemäß Beschluss der Gemeindevertretung vom 11.12.2014.
Danach sollte die ehemalige Baustraße erstmalig als Straße
»Zum S.« mit einer Fahrbahn, einem Gehweg, Parkplätzen,
einer Fußgängerzone (als Verbindung zur Promenade), einer
Oberflächenentwässerung und einer Beleuchtung ausgestat-
tet und damit hergestellt werden. Es besteht kein Zweifel
daran, dass es sich um eine erstmalige Herstellung i.S.d.
§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 BauGB und damit um eine Er-
schließungsmaßnahme handelt.
HEFT 1 2018
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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1...,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26 28,29,30,31,32,33,34,35,36
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