Verlag Versorgungswirtschaft GmbH - page 28

Entgegen der Auffassung der Kammer nach der summari-
schen Prüfung im Eilverfahren (9 B 21/15) handelt sich jedoch
aufgrund der Erkenntnisse in dem Ortstermin nicht um nur
eine selbständige Erschließungsanlage »Zum S.« als eine
zum Anbau bestimmte Straße mit den Teileinrichtungen Fahr-
bahn und Gehweg einschließlich der unselbständigen Park-
plätze und dem sich anschließenden verkehrsberuhigten Be-
reich Fußgängerzone. Vielmehr steht nach der Überzeugung
der erkennenden Einzelrichterin aufgrund der tatsächlichen
Örtlichkeiten fest, dass es sich um drei selbständige Anlagen
handelt (Beginn der Straße »Zum S.« mit Zuwegung zum »X«
(1), dem selbständigen gleichnamigen Einbahnstraßenring
mit seitlichen Parkflächen und Gehweg (2) sowie der Fuß-
gängerzone (3)), wobei der Einbahnstraßenring mit Parkplät-
zen mangels Anbaufunktion keine Erschließungsanlage ist.
Bei dem am Beginn der Erschließungsstrecke gelegenen ge-
radlinigen Teil der Straße »Zum S.« (Anbaustraße) mit direk-
ter Zuwegung zum »X«, der in beide Richtungen befahrbar
ist und mit einer Fahrbahn sowie teilweise mit einem Geh-
weg ausgestattet ist, handelt es sich nach dieser natürlichen
Betrachtungsweise um eine selbständige Anlage i.S.d. § 127
Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Der Selbständigkeit dieser Anbaustraße
steht nicht entgegen, dass sie lediglich ca. 20 Meter lang ist,
da ihr eine eigenständige Verkehrsfunktion im Straßennetz
zukommt. Durch die Befahrbarkeit in beide Richtungen steht
sie nicht in einer notwendigen Abhängigkeit zu dem von ihr
in südöstlicher Richtung abgehenden Einbahnstraßenring.
Sie ist auch nicht lediglich unselbständige Zufahrt (»Anhäng-
sel«) der Straße »Am F.«. Nach der Rechtsprechung des
BVerwG ähnelt eine bis zu 100 m tiefe, nicht verzweigte im
Sinne von nicht abknickende Stichstraße (Sackgasse) einer
typischen Zufahrt derart, dass sie wie diese regelmäßig als
unselbständig zu qualifizieren ist (BVerwG, Urteil v. 23.6.1995,
8 C 30/93, juris). Gegen eine unselbständige Zufahrt spricht
jedoch, dass das vordere Teilstück der Straße »Zum S.« dem
in südöstlicher Richtung abgehenden gleichnamigen Ein-
bahnstraßenring als Verkehrsanlage Zufahrt verschafft und
sich damit nicht als bloße Stichstraße (»Sackgasse«) darstellt.
Zudem hat die Einzelrichterin keinen Zweifel daran, dass der
Einbahnstraßenring mit seinen zwei- bzw. einreihig angeord-
neten Parkplätzen nebst Gehweg eine selbständige – aller-
dings nicht abrechnungsfähige – Verkehrsanlage ist. Denn
diese stellt sich weder als selbständiger Parkplatz nach § 127
Abs. 2 Nr. 4 BauGB dar, noch ist sie unselbständiger Teil der
Anbaustraße gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauG oder ist selbst
Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Ob bei isolierter
Betrachtung von Parkflächen diese unselbständiger Bestand-
teil einer Verkehrsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) oder
selbständige Erschließungsanlage sind (§ 127 Abs. 2 Nr. 1
oder Nr. 4 BauGB), bestimmt sich nach ihrer Lage und Größe.
Die Parkfläche stellt bereits deshalb keine (abrechnungsfähi-
ge) selbständige Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4
BauGB dar, weil sie aus städtebaulichen Gründen für die Er-
schließung eines Baugebietes nicht notwendig ist. Maßgeb-
lich ist, welche anderen Parkmöglichkeiten auch privater Art,
etwa auf privaten Stellplätzen oder in Parkhäusern, gegeben
sind und welcher Bedarf für die Aufnahme des ruhenden Ver-
kehrs in dem Baugebiet nach seiner Nutzung zu erwarten ist
(Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 127, Rz. 30).
Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 11 ist
der private ruhende Verkehr auf dem jeweiligen Baugrund-
stück unterzubringen; für diesen bedarf es keiner weiteren
öffentlichen Parkplätze.
Der Einbahnstraßenring mit Parkplätzen und Gehweg ist
nach der natürlichen Betrachtungsweise aber auch kein
lediglich unselbständiger Teil der Anbaustraße i.S.d. § 127
Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Zwar sind die Pflasterungen der Fahr-
bahn und der Gehwege jeweils mit demselben Pflasterstein
und Legemuster verwirklicht worden. Dieser Einbahnstra-
ßenring knickt jedoch rechtwinklig in südöstlicher Richtung
von der Anbaustraße ab und überschreitet mit seiner ein-
fachen Länge von insgesamt ca. 125 Metern ein Vielfaches
der Länge der Anbaustraße. Die darüber hinausgehende, zu-
nächst beidseitige und dann einseitige Anordnung von insge-
samt 92 Parkbuchten (zuzüglich neun Behindertenparkplät-
ze), lässt diesen Bereich aufgrund dieser massiven flächigen
Erscheinung und durch die unterschiedliche Nutzung als
öffentlicher Parkraum, bei der die Einbahnstraße lediglich als
Zufahrt fungierend eine untergeordnete Rolle spielt, in Bezug
auf die Anbaustraße als etwas Selbständiges und nicht ledig-
lich Untergeordnetes zu ihr erscheinen.
Mangels Anbaufunktion stellt der Einbahnstraßenring trotz
seiner Verkehrsbedeutung für die davon abzweigende ver-
kehrsberuhigte Fußgängerzone letztlich auch keine eigen-
ständige Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
dar. Zwar grenzt das streitgegenständliche Grundstück un-
mittelbar an den Einbahnstraßenring an. Aufgrund der Fest-
setzungen im Bebauungsplan Nr. 11 besteht jedoch eine
nicht ausräumbare Umgrenzung. An das Grundstück des »X«
kann wegen der Anpflanzungen weder aus tatsächlicher
noch aufgrund der genannten Festsetzungen aus rechtlicher
Hinsicht von dem Einbahnstraßenring herangefahren wer-
den. Die Erschließung erfolgt vielmehr über den gradlinigen
Beginn der Straße »Zum S.«. Gleiches gilt hinsichtlich des
Grundstücks des Ferienparks. Die Erschließung erfolgt wie
bisher über die Straße »Am F.«.
Stellt sich der Einbahnstraßenring mit Parkplätzen und Geh-
weg nicht als unselbständiger Teil der oben genannten An-
baustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB dar bzw. ist er nicht
selbst Erschließungsanlage und fehlt es damit an einer not-
wendigen Verbindung zwischen der Anbaustraße und der
sich am Ende des Einbahnstraßenrings anschließenden ver-
kehrsberuhigten Fußgängerzone, kann letztere bereits durch
diese räumliche Zäsur kein abrechnungsfähiger unselbstän-
diger Bestandteil der Anbaustraße sein. Vielmehr ist die ver-
kehrsberuhigte Fußgängerzone selbständige Erschließungs-
anlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
Straßenausbaubeiträge
DokNr. 18004535
Berücksichtigung eines nicht gefangenen
Hinterliegergrundstücks
– VG Bayreuth, Urteil vom 28.09.2016 – B 4 K 15.535 – (An-
trag auf Zulassung der Berufung abgelehnt; VGH München,
Beschluss vom 03.07.2017 – 6 ZB 16.2272) –
Leitsatz der Redaktion:
Nicht gefangene Hinterliegergrundstücke sind bei der Auf-
wandsverteilung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen,
wenn es im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Bei-
tragspflichten an Anhaltspunkten fehlt, wonach die abzu-
rechnende Straße über das Anliegergrundstück vom Hinter-
liegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbin-
dung an seine »eigene« Straße in nennenswertem Umfang in
Anspruch genommen wird.
Mit Bescheid vom 5.4.2013 setzte die Beklagte gegenüber der
Klägerin einen Straßenausbaubeitrag für die Ortsstraße O
i.H.v. 11.714,30
fest. Mit der erhobenen Klage wird im
Wesentlichen geltend gemacht, der Beitrag sei zu hoch fest-
gesetzt worden, weil weitere Grundstücke in die Aufwands-
verteilung hätten einbezogen werden müssen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Für die Verbesserung
oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentli-
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VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
HEFT 1 2018
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