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welche Weise der 25%ige Gemeindeanteil errechnet worden
ist. Die somit gegebene Unwirksamkeit der Satzungsregelun-
gen über den Gemeindeanteil hat die Gesamtunwirksamkeit
der vom Antragsteller in vollem Umfang angefochtenen Ge-
bührensatzungen der Antragsgegnerin zur Folge. Die Ge-
bührensätze gehören zum wesentlichen Mindestinhalt der
angefochtenen Satzungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG).
Fremdenverkehrsbeiträge
DokNr. 17004091
Bemessung des Vorteilssatzes für selbständige
Zahnärzte
– VG Hannover, Urteil vom 02.02.2016 – 1 A 9171/14 –
Leitsätze der Redaktion:
1. Der Fremdenverkehrsbeitrag bemisst sich nach dem be-
sonderen wirtschaftlichen Vorteil, welcher dem Beitrags-
pflichtigen durch den Aufwand der Kommune geboten
wird. Die Möglichkeit, Vorteile aus dem Fremdenverkehr
zu erzielen, muss sich nach der ausgeübten Tätigkeit er-
geben.
2. Bei einer Zahnarztpraxis dürfen diejenigen Vorteile, die
sich dem Beitragspflichtigen bloß mittelbar ergeben,
nicht berücksichtigt werden. Eine zahnärztliche Behand-
lung erfolgt allein aus privaten Gründen der unmittelbar
Bevorteilten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 2.4.2014 gegenüber
der Klägerin, einer Zahnarztpraxis-GbR, einen Fremdenver-
kehrsbeitrag fest. Nachdem die Klägerin ihren Gesamtum-
satz des Vorvorjahres nicht angab, schätzte die Beklagte den
Umsatz auf 500.000
und zog hierbei einen Vorteilssatz von
10%, einen Gewinnsatz von 25% sowie den Beitragssatz von
8% zur Beitragsbemessung heran. Die Klägerin trug zur Be-
gründung ihrer Klage u.a. vor, dass es nicht nachvollziehbar
sei, weshalb eine Arztpraxis und sonstige Fachärzte mit dem
Vorteilssatz von 5% versehen seien, während eine Zahnarzt-
praxis bei 10% eingeordnet sei. Tatsächlich bewege sich der
Umsatz mit Kurgästen und Urlaubern in einem sehr geringen
Rahmen. Zudem sei die Annahme eines Gewinnsatzes i.H.v.
25% bei Zahnärzten gegenüber 32% bei Allgemeinmedizi-
nern deutlich überhöht, nachdem ein Zahnarzt einen hohen
Materialaufwand habe.
Die zulässige Klage hat Erfolg. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1
NKAG dürfen kommunale Abgaben einschließlich der Frem-
denverkehrsbeiträge nur aufgrund einer wirksamen Satzung
erhoben werden. Der Fremdenverkehrsbeitrag bemisst sich
gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung nach dem besonderen wirt-
schaftlichen Vorteil, welcher dem Beitragspflichtigen durch
den Aufwand der Stadt E. geboten wird. Der besondere Vor-
teil besteht in der Möglichkeit, aus der beitragspflichtigen
Tätigkeit Verdienst (Umsatz) zu erzielen. Der Umsatz stellt
eine gut zu ermittelnde Größe und i.V.m. den Komponenten
Vorteilssatz und Gewinnsatz eine tragfähige Grundlage für
die Ermittlung des Fremdenverkehrsbeitrages dar (VG Lüne-
burg, Urteil v. 29.6.2015, 2 A 114/15, juris). Die Beklagte durf-
te – wie geschehen – den Umsatz der Klägerin schätzen, weil
die Angaben der Klägerin hinsichtlich des maßgeblichen Um-
satzes trotz mehrfacher Aufforderung unvollständig waren.
Jedoch hat die Beklagte in rechtswidriger Weise den Vorteil-
satz i.H.v. 10% bestimmt, indem sie auch mittelbare Vorteile
als Umsätze berücksichtigt hat, die schon nach der zum Zeit-
punkt der Kalkulation geltenden Satzung nicht hätten be-
rücksichtigt werden dürfen und dennoch Teil der Kalkulation
des Fremdenverkehrsbeitrags sind. Bessere Verdienst- und
Gewinnmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass der
Fremdenverkehr die Wirtschaftskraft in einer Gemeinde all-
gemein anhebt und die Zahl der Einwohner steigen lässt,
rechtfertigen noch keine Beitragspflicht. Es fehlt an einem
konkreten Zusammenhang zum Fremdenverkehr (OVG Nie-
dersachsen, Urteil v. 22.11.2010, 9 LC 393/08, juris). Der zu
entgeltende Vorteil besteht letztlich aber in der (potentiellen)
Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit,
die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt. Die Möglichkeit,
Vorteile aus dem Fremdenverkehr zu erzielen, muss nach der
ausgeübten Tätigkeit gegeben sein (OVG Niedersachsen,
Beschluss v. 27.5.2015, 9 LA 268/13, juris; OVG Schleswig-
Holstein, Urteil v. 17.3.2008, 2 LB 40/07, juris). Dies ist bei der
Zahnarztpraxis hier der Fall. Die Klägerin hat durch die Be-
handlungsmöglichkeit von Gästen unmittelbare Vorteile.
Demgegenüber ist die von der Beklagten angenommene Be-
rücksichtigung derjenigen Vorteile, die sich dem Beitrags-
pflichtigen mittelbar ergeben, unzulässig. Die Beklagte kann
nicht annehmen, dass etwa durch die zahnärztliche Behand-
lung des Hoteliers oder des Gastwirtes ein Zahnarzt ein »Ge-
schäft« tätigt, welches im Rahmen der für den Fremdenver-
kehr erfolgenden Bedarfsdeckung erfolgt. Das VG Hannover
merkt süffisant an, dass der Zahn- und Gebisszustand eines
Hoteliers keinerlei Beziehung zu dessen Gewerbe hat. Eine
zahnärztliche Behandlung erfolgt aus privaten Gründen des
Hoteliers, die im Rahmen der Bemessung des Fremdenver-
kehrsbeitrages – mangels Zusammenhang – nicht zu berück-
sichtigen sind. Profiteure sind z.B. Getränkehändler, Blumen-
händler oder Wäschereien. Die rechtliche Einordnung eines
Zahnarztes im Fremdenverkehrsbeitragsrecht entspricht der
aktuellen Rechtsprechung des OVG Niedersachsen (Beschluss
v. 27.5.2015, 9 LA 268/13, juris; Urteil v. 22.11.2010, 9 LC
393/08, juris; anders noch Urteil v. 3.3.2006, 9 KN 327/03,
juris).
Der Satzungsgeber hat die nicht berücksichtigungsfähigen
mittelbaren Vorteile in die Kalkulation einbezogen. Der Vor-
teilssatz ist deshalb fehlerhaft bemessen und unwirksam, was
allein bereits die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Be-
scheides begründet.
Abschließend gibt die Kammer u.a. den Hinweis, dass Bin-
nenabstufungen hinsichtlich des Vorteilssatzes – also z.B. ein
Unterschied von 5 Prozentpunkten bei Zahnärzten und All-
gemeinmedizinern (10% Vorteilssatz) sowie Fachärzten (5%
Vorteilssatz) – grundsätzlich nicht zu beanstanden sind. Glei-
ches gilt für die unterschiedlichen Gewinnsätze bei Allgemein-
medizinern und Zahnärzten. Der Rückgriff auf die Durch-
schnittsgewinnsätze in den Betriebsvergleichsstatistiken der
DATEV stellt grundsätzlich einen möglichen Weg zur Bestim-
mung des Gewinnsatzes dar (VG Arnsberg, Urteil v. 7.9.2009,
13 K 2166/08, juris). Hingegen wäre allein ein bloßes »Ab-
schreiben« der verschiedenen Gewinnsätze aus Fremden-
verkehrsbeitragssatzungen anderer Gemeinden unzulässig.
HEFT 1 2017
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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Online-Kommentar »ABC des kommunalen Beitrags- und Gebührenrechts«
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