Verlag Versorgungswirtschaft - page 21

lautendes Änderungsrecht enthalten
6
(»Leitbildfunktion im
weiteren Sinne«). Diese Rechtsprechung gab der BGH mit
Urteil vom 31.07.2013 ausdrücklich auf.
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Somit erscheint es
jedenfalls fraglich, ob § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV wirksam
in einen Sondervertrag einbezogen werden kann bzw. ob
eine gleichlautende Regelung im Vertrag wirksam ist. Hierfür
spricht zwar einiges, es erscheint gleichwohl sinnvoll, in der
Praxis stets von § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB Gebrauch zu machen
und den Kunden in der Rechnung darauf hinzuweisen, dass
er spätestens in Verzug kommt, wenn er nicht innerhalb von
30 Tagen nach Zugang der Rechnung leistet. Eine weitere Er-
leichterung bietet – aber nur bei Nicht-Verbrauchern – § 286
Abs. 3 Satz 2 BGB wonach wenn der Zeitpunkt des Zugangs
der Rechnung unsicher ist, der Schuldner spätestens 30 Tage
nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug
kommt. Unsicher ist der Zugangszeitpunkt, wenn er im zivil-
prozessualen Sinn streitig ist.
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Für den Fall, dass der Zugang
selbst nicht festgestellt werden kann, gilt die Regelung nach
ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht,
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sodass sich die
Frage stellt, ob die Bestimmung jemals von praktischem Nut-
zen ist. Der Zugang der Rechnung als solcher ist stets darzu-
legen und ggf. auch zu beweisen.
– RA Michael Brändle, Freiburg –
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Zuletzt BGH, Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 246/08, VW-DokNr.
11000573, BGHZ 186, 180, Rn. 33–35.
7
BGH, Urteil vom 31.07.2013 – VIII ZR 162/09, VW-DokNr. 13002410,
BGHZ 198, 111; Anm.
Brändle
VersorgW 2013, 272, DokNr. 13002509.
8
Seichter
in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage
2017, § 286 BGB, Rn. 37.
9
Seichter
in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage
2017, § 286 BGB, Rn. 37.
DokNr. 17004082
Einstweilige Verfügung auf Duldung der Unter-
brechung der Stromversorgung keine Vorweg-
nahme der Hauptsache
– LG Wuppertal, Urteil vom 18.06.2015 – 9 S 66/15 –
*
Leitsätze der Redaktion:
1. Das Versorgungsunternehmen übt durch die temporäre
Versorgungsunterbrechung das ihm zustehende Zurück-
behaltungsrecht aus, um ein weiteres Anwachsen der
Zahlungsrückstände zu verhindern.
2. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im einst-
weiligen Verfügungsverfahren dient dem Zweck, zu ver-
hindern, dass der Anspruchsinhaber unter Umgehung des
Hauptsacheverfahrens und unter Ausnutzung der erleich-
terten Voraussetzungen für den Erlass eines Titels im
einstweiligen Verfügungsverfahren bereits Befriedigung
erlangt.
3. Das Versorgungsunternehmen erlangt nur durch Zahlung
der Rückstände nicht aber durch Unterbrechung der Ver-
sorgung Befriedigung.
4. Somit kann eine Duldung der Versorgungsunterbrechung
auch im auch im einstweiligen Verfügungsverfahren gel-
tend gemacht werden.
Hinweis:
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei Bestehen eines
Anspruchs auf Einstellung von Versorgungsleistungen dieser
im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden
kann. Viele Gerichte,
1
auch die Vorinstanz,
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vertreten die
Auffassung, die Unterbrechung von Versorgungsleistungen
stelle eine Vorwegnahme der Hauptsache dar, die nicht mit
einer einstweiligen Verfügung verlangt werden könne. Es ist
erfreulich, dass das LG Wuppertal dem nunmehr mit guten
Argumenten widerspricht. Im Ergebnis war vor einiger Zeit
auch schon das OLG Koblenz
3
zu §§ 16, 33 Abs. 2 AVBEltV
der Auffassung, dass mit dem Antrag auf Erlass einer Dul-
dungsverfügung keine endgültige Erfüllung der Zahlungsan-
sprüche aus Stromlieferungen, sondern vielmehr nur die
Durchsetzung einer Nebenpflicht angestrebt werde. Ein Ver-
fügungsgrund liege darin, dass sich der Vermögensschaden
durch den ständigen Stromverbrauch des Antragsgegners
täglich erhöht werde, was angesichts der verbrauchten Strom-
mengen zu einem erheblichen Forderungsausfall führen
könne. Der Lieferanten könne daher nicht auf die Durchfüh-
rung des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Eine
höchstrichterliche Klärung der Frage, ob eine Duldungsverfü-
gung gerichtet auf Unterbrechung die Hauptsache vorweg-
nimmt oder nicht, ist im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO
nicht möglich. Immerhin haben Lieferanten mit der Entschei-
dung des LG Wuppertal aber nun eine weitere, gut begrün-
dete Entscheidung, auf die sie sich berufen können.
– RA Michael Brändle, Freiburg –
1
So etwa AG Oldenburg i.H., Beschluss vom 22.11.2013 – 18 C 945/13,
VW-DokNr. 14002697 mit Anm.
Veihelmann/Schütte
in VersorgW 2014, 183,
DokNr. 14002913; bestätigt durch LG Lübeck, Beschluss vom 07.01.2014 –
1 T 64/13, VW-DokNr. 14002829.
2
AG Solingen, Urteil vom 10.03.2015 – 12 C 18/15, n.V.
3
OLG Koblenz, Beschluss vom 14.12.2004 – 8 W 826/04, VW-DokNr.
16001842.
Energiewirtschaftsrecht / Anreizregulierung
DokNr. 17004083
Nichtberücksichtigung von Aufwendungen
für Differenzbilanzkreise und Begrenzung
der berücksichtigungsfähigen liquiden Mittel
durch die Regulierungsbehörde
– OLG München, Beschluss vom 07.07.2016 – Kart 1/15 –
Leitsatz des Gerichts:
Die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen für Differenz-
bilanzkreise und die Kürzung der im Rahmen des kalkulatori-
schen Eigenkapitals zu berücksichtigenden liquiden Mittel
auf 2/12 des Jahresumsatzes führen nicht zur Rechtswidrigkeit
des Festlegungsbescheids.
Sachverhalt:
I.
Die Betroffene als Betreiberin eines Elektrizitätsverteiler-
netzes wendet sich unter zwei Aspekten gegen die Festle-
gung der Erlösobergrenzen in dem Bescheid der Landesregu-
lierungsbehörde für die zweite Regulierungsperiode.
Die Betroffene betreibt in Bayern ein Elektrizitätsverteilernetz,
an das ca. 6.000 Kunden angeschlossen sind. Sie ist auch
Stromlieferantin. Zur Ermittlung des Effizienzwertes nimmt
sie gemäß § 24 ARegV am vereinfachten Verfahren teil.
Die Landesregulierungsbehörde hat durch Bescheid vom
22.01.2015 die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für den
Zeitraum der zweiten Regulierungsperiode vom 01.01.2014
bis 31.12.2018 für das Stromverteilernetz der Betroffenen im
vereinfachten Verfahren festgelegt. Dabei hat sie bei der
Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 6 Abs. 1 ARegV die
von der Betroffenen geltend gemachten Aufwendungen von
HEFT 1 2017
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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* Die Entscheidung finden Sie im vollen Wortlaut auf unserem Portal
vw-online.eu unter DokNr. 16001841.
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