Verlag Versorgungswirtschaft - page 29

gemäß § 133 Abs. 2 Satz 2 BauGB bereits mit einer solchen
Übernahme durch die Gemeinde. Übernimmt eine Gemeinde
eine noch nicht endgültig hergestellte Anlage, gehören so-
wohl die Übernahmekosten gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
BauGB als auch die weiteren zur endgültigen Herstellung
notwendigen Kosten gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
BauGB zum Erschließungsaufwand (Grziwotz, in: Ernst/Zink-
ahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Nov. 2015, § 128 Rz. 40). Aus
der Regelung des § 127 Abs. 3 BauGB ergibt sich nicht, dass
es für die gesonderte Abrechnung der Übernahmekosten
(auch einer noch nicht endgültig hergestellten Anlage) eines
Kostenspaltungsbeschlusses bedarf. § 127 Abs. 3 BauGB er-
möglicht im Rahmen einer Kostenspaltung die selbständige
Erhebung des Erschließungsbeitrags für den Grunderwerb,
die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen. Wie
mit Übernahmekosten umzugehen ist, wird darin nicht ge-
regelt. §§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 133 Abs. 2 Satz 2 BauGB
ermöglichen insoweit eine gesonderte Abrechnung kraft
Gesetzes.
Als »Übernahme« i.S.d. § 133 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist der
Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Gemeinde die tatsäch-
liche und rechtliche Herrschaft über die Anlage erlangt hat,
sie ihrem neuen Zweck gewidmet und der der Gemeinde
entstandene Aufwand feststellbar ist. Hier geht die Übernah-
me mit der Grundbuchumschreibung ins Jahr 1990 zurück.
Damals standen die Übernahmekosten fest. Außerdem war
die Straße nach Angaben der Beklagten seinerzeit bereits ge-
widmet. Da im Streitfall die sachliche (Teil-) Beitragspflicht
hinsichtlich der Übernahmekosten bereits im Jahr 1990 ent-
stand, war bei Erlass des Bescheids vom 26.9.2013 die Fest-
setzungsverjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4b NKAG i.V.m.
§§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO schon
abgelaufen.
Straßenausbaubeiträge
DokNr. 17004089
Erforderlichkeit der abgerechneten Baumaß-
nahmen
– VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18.02.2016 – VG 3 K
174/13 –
Leitsätze der Redaktion:
1. Verkehrsintensive Einrichtungen wie z.B. Bahnhöfe,
Schulen oder Altenheime ändern nichts an der Einord-
nung einer Anlage in die Straßenkategorien nach dem
Straßenbaubeitragsrecht. Das höhere Verkehrsaufkom-
men ist bei den betreffenden Grundstücken durch Ansatz
eines Zuschlags zu berücksichtigen.
2. Das Merkmal der Erforderlichkeit ist aus der Vorteilhaf-
tigkeit der Maßnahme für die beitragspflichtigen Anlie-
ger abzuleiten. Es ist nicht als Beschränkung auf das Not-
wendigste zu verstehen, sondern markiert lediglich eine
äußerste Grenze der Vertretbarkeit.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks an der Alte
Lohmühlenstraße, an die auch ein Gymnasium und ein Alten-
heim grenzen. Im Zuge des Neubaus des Gymnasiums Mitte
der 1990er Jahre wurden auf der östlichen Seite der Alten
Lohmühlenstraße ein Gehweg und Pkw-Stellflächen herge-
stellt. Beginnend im März 2006 hat der Beklagte zunächst die
Wallstraße und im Jahr 2011 die Alte Lohmühlenstraße grund-
haft ausgebaut. Entsprechend der Straßenbaubeitragssat-
zung (SBS 2004) werden gegenüber dem Kläger mit Bescheid
vom 10.11.2006 eine Vorausleistung auf einen Straßenbau-
beitrag für die straßenbauliche Maßnahme »Verbesserung
der Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Regenentwässerung
und Beleuchtung in der Wallstraße/Alte Lohmühlenstraße«
i.H.v. 1.743,18
festgesetzt. Er ging bei der Festsetzung der
Vorausleistung von der Einstufung der Wallstraße/Alte Loh-
mühlenstraße als Anliegerstraße aus. Der Klage, die der Klä-
ger gegen den unter dem 27.4.2007 erlassenen Widerspruchs-
bescheid erhob, wurde stattgegeben, weil die Alte Lohmüh-
lenstraße im maßgeblichen Zeitpunkt keine einheitliche An-
lage mit der Wallstraße gebildet habe. Mit dem »Endbe-
scheid über einen Straßenbaubeitrag« vom 29.10.2012 setzte
der Beklagte für die straßenbauliche Maßnahme »Alte Loh-
mühlenstraße, Fahrbahn, Gehweg, Regenentwässerung, Park-
streifen, Begleitgrün und Beleuchtung« einen Straßenbaubei-
trag über 2.557,49
fest. Gegen den endgültigen Beitragsbe-
scheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides am 11.1.2013
hat der Kläger Klage erhoben und diese dahingehend be-
gründet, dass die Einstufung als Anliegerstraße fehlerhaft
und die Straßenbaumaßnahmen nicht erforderlich seien.
Die Klage ist unbegründet; der Beklagte hat zu Recht die im
Jahr 2011 durchgeführten Straßenbaumaßnahmen an der
Alten Lohmühlenstraße abgerechnet und hierfür einen auf
§ 8 KAG Bbg i.V.m. der Straßenbaubeitragssatzung (SBS 2007)
einen endgültigen Straßenbaubeitrag i.H.v. 2.557,49
fest-
gesetzt.
Soweit der Kläger die Reduzierung des von den Anliegern zu
tragenden Anteils am Aufwand dadurch erreichen möchte,
dass die Anlage nicht als Anliegerstraße, sondern als Haupt-
erschließungsstraße eingeordnet wird, verkennt er, dass »ver-
kehrsintensive« Einrichtungen an der ausgebauten Anlage
(neben dem an der Alten Lohmühlenstraße gelegenen Alten-
heim und Gymnasium z.B. auch Bahnhöfe) nichts an der Ein-
ordnung der Anlage in die Straßenkategorien nach dem Stra-
ßenbaubeitragsrecht ändern kann (OVG Berlin-Branden-
burg, Beschluss v. 14.08.2013 OVG 9 N 100.10). Die Beitrags-
gerechtigkeit ist über die »Binnendifferenzierung« zwischen
den verschiedenen Anliegergrundstücken herzustellen. Der
Beklagte berücksichtigte das höhere Verkehrsaufkommen
bei den Grundstücken, auf denen sich das Gymnasium und
das Seniorenzentrum befinden, jeweils durch Ansatz des Ge-
werbezuschlags von 0,5 (zur gesteigerten Beitragspflicht von
Pflegeheimen, vgl. OVG Magdeburg, Beschluss v. 19.11.2004,
2 M 337/04, juris).
Der Kläger rügt, die abgerechneten Straßenbaumaßnahmen
seien nur deshalb erforderlich geworden, weil es zu einer
Überforderung der unter der Straße verlegten Zu- und Ab-
leitungen der Medien durch das Gymnasium und das Alten-
heim gekommen sei; ohne die deshalb erforderlichen Schacht-
arbeiten hätte es ausgereicht, lediglich die Fahrbahndecke
zu erneuern. Das VG Frankfurt (Oder) erinnert diesbezüglich
daran, dass die Erforderlichkeit aus der Vorteilhaftigkeit der
Maßnahme für die beitragspflichtigen Anlieger abzuleiten
ist. Das Merkmal der Erforderlichkeit ist aber nicht als Be-
schränkung auf das Notwendigste zu verstehen, sondern mar-
kiert lediglich eine äußerste Grenze der Vertretbarkeit (OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 31.8.2007, OVG 9 N 148.05;
vgl. auch VG Frankfurt (Oder), Urteile v. 25.9.2013, VG 3 K
885/12; v. 30.10.2013, VG 3 K 683/12). Gemessen an diesen
Grundsätzen, hält sich die Entscheidung des Beklagten, die
Alte Lohmühlenstraße wie geschehen auszubauen, in dem
rechtlich vorgegebenen Rahmen. Während die Fahrbahn der
Alten Lohmühlenstraße vor den Baumaßnahmen lediglich mit
einer 19 cm starken Betonschicht ohne durchgehende Frost-
schutz- oder Tragschichten befestigt war und insoweit nicht
den Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von
Verkehrsflächen entsprach, stellt die Verstärkung der Frost-
schutzschicht bzw. Tragschicht eine Verbesserung dar. Die
vorhandene geschlossene Straßenentwässerung war schad-
haft, sodass eine Erneuerung die Notwendigkeit des Auf-
bruchs des Gehweges und von Teilen der Fahrbahn nach sich
zog. Nach Auffassung des Gerichts war auch die Erneuerung
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VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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