Verlag Versorgungswirtschaft - page 19

kann vor allem dadurch erreicht werden, dass der Energielie-
ferungsvertrag auf unbestimmte Zeit mit dem beiderseitigen,
jederzeitigen Recht zur Kündigung – gegenüber Verbrau-
chern mit einer maximalen Frist von drei Monaten (§ 309
Nr. 9 lit. c BGB) – abgeschlossen wird.
Sofern der Lieferant des Sondervertrages gleichzeitig der ört-
liche Grundversorger und der Kunde Haushaltskunde ist,
kann die Musterformulierung im Sondervertrag sogar voll-
ständig entfallen, wie die Besprechungsentscheidung zeigt.
Denn mit dem aus dem Sondervertrag herausgekündigten
Haushaltskunden kommt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StromGVV/
GasGVV ein Grundversorgungsvertrag zustande.
Sofern der Lieferant des Sondervertrages nicht der Grundver-
sorger ist und es keine Klausel gibt, welche die Reaktion des
Kunden (bzw. v.a. seine Nicht-Reaktion) auf die Änderungs-
kündigung antizipiert, stellt sich die Frage, zu welchen Be-
dingungen genau der Vertrag zustande kommen soll, wes-
halb die erwähnte Musterformulierung vorsieht, dass die
(neu) angebotenen Bedingungen dem Kunden sechs Wochen
vorher mitzuteilen sind. Oder deutlicher: Dem Kunden ist ein
vollständigen Vertragsangebot zu unterbreiten, welches er
konkludent annehmen kann. Ohne Verwendung der Muster-
klausel könnte das Ergebnis das Gleiche sein, hier bestehen
aber Risiken, weshalb die Verwendung nach wie vor zu emp-
fehlen ist.
Was die Form der Kündigung betrifft, ist auf folgendes hinzu-
weisen: Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten
schriftlichen Form genügt nach § 127 BGB die »
telekommuni-
kative Übermittlung
«. Es ist strittig, was das genau bedeutet.
Eine Übermittlung der eigenhändig unterschriebenen Urkun-
de (hier: Kündigungsschreiben) per Fax genügt auf jeden
Fall. Ob eine einfache E-Mail reicht, ist umstritten.
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Nachdem
das Gesetz nur von »Übermittlung« spricht, ist die Meinung
vorzuziehen, dass die Erleichterung sich nur darauf bezieht,
dass die Urkunde nicht zwingend brieflich zu übermitteln ist,
wohl aber eine eigenhändig unterzeichnete Urkunde existie-
ren muss. Damit genügt weder eine E-Mail noch gar eine ein-
fache, nicht signierte Datenübermittlung. Der BGH deutet in
der Besprechungsentscheidung in einem obiter dictum an,
die telekommunikative Übermittlung umfasse »unter den
Voraussetzungen des § 126b BGB« neben dem Telefax auch
den Versand einer E-Mail. Der Sinn dieser Bemerkung ist
nicht ganz eindeutig, weil in § 126b BGB die Textform ge-
regelt ist, während hier Schriftform vereinbart war. Bei aller
gebotenen Vorsicht scheint es jedoch so, dass jedenfalls der
für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH die
Formvorschriften im Massengeschäft eher abgemildert an-
wenden will. Somit liegt es durchaus im Rahmen des Mögli-
chen, dass er im Massengeschäft bei vereinbarter Schriftform
den Versand von E-Mails als schriftformwahrend ansehen
könnte.
– RA Michael Brändle, Freiburg –
DokNr. 17004081
Recht des Grundversorgers zur Bestimmung
der Leistungszeit
– BGH, Versäumnisurteil vom 08.06.2016 – VIII ZR 215/15 –
*
Leitsatz des Gerichts:
Einem Grundversorger steht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1
StromGVV ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leis-
tungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu, so dass ein
Stromkunde im Grundversorgungsverhältnis mit Ablauf
eines vom Versorger in der Rechnung mitgeteilten Datums
ohne Mahnung in Verzug gerät, sofern dieses Datum we-
nigstens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforde-
rung liegt.
Anmerkung:
1
. Die Klägerin begehrt die Vergütung von Stromlieferungen,
die nach ihrer Behauptung im Rahmen der Grundversorgung
erfolgt sind.
1
In der Revisionsinstanz steht nur noch ein Teil
der Zinsforderung im Streit. Die Klägerin belieferte den Be-
klagten mit »
Allgemein- und Heizstrom für seinen Haushalt
«.
Genauere Angaben zur Frage, wie es ein kann, dass Allge-
mein- und Heizstrom für einen Haushalt des Kunden gelie-
fert worden sein soll, fehlen. Dies ist eher fernliegend, da All-
gemein- und Heizstrom üblicherweise vom Vermieter eines
Mehrfamilienhaus bezogen wird und damit gerade nicht für
einen Haushalt. Unter einem Haushalt im Sinne des § 3 Nr. 22
Alt. 1 EnWG ist nämlich nach den erst jüngst erfolgten zutref-
fenden Rechtsausführungen des gleichen Senats
2
die räum-
liche und wirtschaftliche Einheit zu verstehen, die unabhän-
gig vom Lebensstandard der Haushaltsangehörigen Grund-
lage und Mittelpunkt des privaten täglichen Lebens ist.
Hierunter fällt die Wohnung des Mieters, nicht aber der Be-
darf des Vermieters für Allgemein- und Heizstrom oder auch
für Erdgas, welches in der Zentralheizung verfeuert wird.
3
Mit Schreiben vom 06.09.2010 erteilte die Klägerin eine
»Schlussrechnung«. In dem Rechnungsschreiben heißt es
u.a.: »
Bitte begleichen Sie unsere Forderung in Höhe von
6.312,05 EUR bis zum 21.09.2010 unter Angabe Ihrer Ver-
tragskontonummer.
« Die Klägerin hat ihre Forderung mit
einem am 01.02.2011 dem Beklagten zugestellten Mahnbe-
scheid geltend gemacht, gegen den der Beklagte Wider-
spruch eingelegt hat. Das Landgericht hat die Klage abge-
wiesen. Dies hat die Klägerin in Höhe von 450 EUR wegen
einer vom Beklagten erklärten Aufrechnung akzeptiert und
im Übrigen Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat
die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage
unter deren Abweisung im Übrigen in Höhe von 5.189,06 EUR
nebst Zinsen seit dem 01.02.2011 stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entschei-
dung bezüglicher der Zinsen im Wesentlichen ausgeführt, die
Klägerin habe einen Anspruch auf Verzinsung ihrer Vergü-
tungsforderung erst seit dem 01.02.2011, dem Tag der Zustel-
lung des Mahnbescheids. Erst durch diese Zustellung sei der
Beklagte gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB in Verzug ge-
raten, so dass ab diesem Zeitpunkt Verzugszinsen zuzuspre-
HEFT 1 2017
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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E-Mail genügt: BAG, Urteil vom 16.12.2009 – 5 AZR 888/08 (ohne Begrün-
dung); Palandt-Ellenberger, 70. Aufl., 2011, § 127 BGB Rn. 2; OLG Mün-
chen, Urteil vom 26.1.2012 –– 23 U 3798/11; Schlichtungsstelle Energie,
Schlichtungsempfehlung vom 23.03.2012, letztere mit der völlig unhalt-
baren Begründung, eine allgemeine Kenntnis, dass Schriftform nicht le-
diglich geschriebener Text, sondern darüber hinaus eine eigenhändige
Unterschrift erfordert, könne nicht vorausgesetzt werden. E-Mail genügt
nicht: OLG München, Urteil vom 23.10.2013 – 7 U 321/13; AG Wedding,
Urteil vom 26.2.2009 – 21a C 221/08; LG Köln, Urteil vom 07.01.2010 - 8 O
120/09, OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.04.2012 – 4 U 269/11, Rn. 15;
Junker
in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Auflage
2014, § 127 BGB, Rn. 18.
*
Die Entscheidung finden Sie im vollen Wortlaut auf unserem Portal
vw-online.eu unter DokNr. 17001843. Über das Rechtsmittel wurde durch
Versäumnisurteil entschieden. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht
auf der Säumnis sondern auf einer Sachprüfung. Gegen das Versäumnis-
urteil wurde am 15.08.2016 Einspruch eingelegt.
1
Feststellungen des Berufungsgerichts zur Art der Versorgung fehlen, wes-
halb die Sache vom BGH zurückverwiesen wurde.
2
BGH, Urteil vom 24.02.2016 – VIII ZR 216/12, Rn. 54, DokNr. 16001622;
red. Leitsätze und Anm.
Brändle
in VersorgW 2016, 306, DokNr. 16003978.
3
Zur Abgrenzung der Begriffe Letztverbraucher, Verbraucher, Haushalts-
kunde siehe
Brändle
, ZfIR 2016, 729, 731.
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...36