Verlag Versorgungswirtschaft - page 20

chen seien. Der weitergehende von der Klägerin bereits ab
dem 22.09.2010 geltend gemachte Verzugszinsanspruch sei
unbegründet. Die Klägerin habe den Beklagten nicht ver-
zugsbegründend nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB gemahnt. Die
Rechnung selbst enthalte eine Mahnung noch nicht. Eine fäl-
ligkeitsbegründende Rechnung könne nur im Ausnahmefall
als zugleich verzugsbegründende Mahnung ausgelegt wer-
den. Die Angabe eines Zahlungsziels in der Rechnung ge-
nüge hierfür nicht. Die Rechnungen enthielten auch keinen
Hinweis auf einen Verzugseintritt nach 30 Tagen nach § 286
Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB.
Eine Befugnis zur einseitigen Bestimmung der Leistungszeit
sei auch nicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV herzuleiten.
Weder aus dem Wortlaut dieser Regelung noch aus der Be-
gründung des Verordnungsgebers sei zu entnehmen, dass
durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV die Verzugsvorschriften
des § 286 BGB hätten geändert werden sollen. Sowohl § 17
Abs. 1 Satz 1 StromGVV als auch die Vorgängervorschrift des
§ 27 AVBEltV regelten nur die Befugnis des Versorgungs-
unternehmens zur Fälligkeitsbestimmung.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt
die Klägerin die Verzinsung der ihr zugesprochenen Vergü-
tungsforderung bereits ab dem 22.09.2010.
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. Die Revision hatte Erfolg. Eine Mahnung liege in der Tat
nicht vor. Ohne Rechtsfehler habe das Berufungsgericht
zudem einen Verzug des Beklagten ohne Mahnung gemäß
§ 286 Abs. 3 Satz 1 BGB mit Ablauf von 30 Tagen nach Fällig-
keit und Zugang der Rechnung verneint, denn die Klägerin
habe ihn auf diese Folge in der Rechnung nicht hingewiesen
(§ 286 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Eine Mahnung sei auch
nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich gewesen.
Nach dieser Vorschrift bedürfe es einer Mahnung nicht,
wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine
angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist,
dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berech-
nen lässt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach § 17
Abs. 1 Satz 1 StromGVV werden Rechnungen und Abschläge
„frühestens“ zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsauffor-
derung zu dem vom Versorger angegebenen Zeitpunkt fällig.
Die Zeit für die Leistung lasse sich aber nicht, wie für § 286
Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderlich, nach dem Kalender berechnen.
Denn maßgeblich sei hierfür nach § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV
nicht nur der Zugang der Rechnung, sondern auch der vom
Versorger angegebene Zeitpunkt. Ohne diesen könne die
Fälligkeit nicht bestimmt werden.
Rechtsfehlerhaft habe das Berufungsgericht jedoch ange-
nommen, der Beklagte könne nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB wegen einer nach dem Kalender bestimmten Leistungs-
zeit ohne Mahnung in Verzug geraten sein. Nach dieser Vor-
schrift trete Schuldnerverzug ohne Mahnung zeitgleich mit
der Fälligkeit ein, wenn eine Zeit für die Leistung (§ 271
BGB) nach dem Kalender bestimmt sei. Dies werde deswe-
gen für gerechtfertigt gehalten, weil einerseits durch die ka-
lendermäßige Bestimmung zum Ausdruck gebracht werde,
die Zeit der Erfüllung sei für den Gläubiger wesentlich, und
weil andererseits der Schuldner in diesen Fällen genau wisse,
wann er zu leisten habe. In der Angabe des Fälligkeitszeit-
punkts in der Rechnung eines Versorgers liege eine kalender-
mäßige Bestimmung der Zeit für die Leistung im Sinne des §
286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1
StromGVV bei Einhaltung der dort bestimmten Zwei-Wo-
chen-Frist ein einseitiges Recht im Sinne des § 315 BGB zur
Bestimmung der Leistungszeit eingeräumt werde. Die Entste-
hungsgeschichte des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV spreche
für ein solches Verständnis. Weiter folge auch aus dem Sinn
und Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV, dass die Vor-
schrift dem Versorger die Möglichkeit zur einseitigen Bestim-
mung der Leistungszeit einräume. Aus der Verordnungsbe-
gründung zur insoweit von § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV un-
verändert übernommenen Vorgängervorschrift des § 27 Abs.
1 AVBEltV gehe hervor, dass diese Regelung nicht nur Kun-
denbelangen, sondern ebenso einem zügigen Inkasso und
damit dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst
kostengünstigen Elektrizitätsversorgung Rechnung tragen
solle.
4
Der Zielsetzung eines zügigen Inkassos liefe es zuwi-
der, wenn die Vorschrift lediglich zum Nachteil des Versor-
gers vom Grundsatz sofortiger Fälligkeit (§ 271 Abs. 1 BGB)
abweichen und den Zeitpunkt, zu dem dieser die Zahlung
erstmals fordern kann, auf einen mindestens zwei Wochen
nach Zugang der Rechnung liegenden Termin hinausschie-
ben würde.
Dem Verständnis, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV dem
Versorger die Befugnis zu einer einseitigen Bestimmung der
Leistungszeit einräume und sich nicht allein auf ein Hinaus-
schieben der Fälligkeit beschränke, stehe nicht entgegen,
dass die Vorschrift ausweislich der Verordnungsbegründung
auch Belange der Kunden berücksichtige.
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§ 17 Abs. 1 Satz 1
StromGVV trage den Kundenbelangen insbesondere da-
durch Rechnung, dass der Versorger bei seiner einseitigen
Leistungszeitbestimmung nicht völlig frei sei, sondern hierbei
zu beachten habe, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von
wenigstens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung verbleibt.
Das Berufungsurteil könne danach keinen Bestand haben.
Die Sache sei nicht zur Endentscheidung reif, da das Beru-
fungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen
habe, ob es sich bei dem zwischen den Parteien geschlosse-
nen Vertrag um einen Grundversorgungsvertrag im Sinne
des § 1 Abs. 1 StromGVV handele oder ob § 17 Abs. 1 Satz 1
StromGVV aus anderen Gründen anwendbar sei. Sollte dies
der Fall sein, werde das Berufungsgericht festzustellen ha-
ben, ob der von der Klägerin in der Rechnung angegebene
Zeitpunkt für die Fälligkeit wenigstens zwei Wochen nach
dem Zugang der Rechnung gelegen habe, so dass Zinsen
entsprechend § 187 BGB ab dem Folgetag zu zahlen wären.
Wäre diese Frist nicht gewahrt, hätte die Klägerin die durch
§ 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV vorgegebene (Ermessens-)
Grenze bei der Bestimmung der Leistungszeit nicht eingehal-
ten. Die Leistungszeitbestimmung durch die Klägerin wäre
unbillig und damit unwirksam, so dass der Beklagte hier-
durch nicht in Verzug geraten wäre.
3.
Die Rechtssache wird vom Bundesgerichtshof (BGH) gera-
dezu lehrbuchmäßig gelöst. Ihr ist deshalb auch nichts weiter
hinzuzufügen.
4.
Ein Problem hat der Grundversorger in der Praxis aber zu
beachten: Wählt er das Datum falsch und liegt dieses im
Ergebnis nicht mindestens zwei Wochen nach Zugang der
Zahlungsaufforderung, dann kann er den Verzug nicht hie-
raus begründen. Für den Zugang ist er nach allgemeinen
zivilprozessualen Regeln darlegungs- und, falls rechtzeitiger
Zugang bestritten wird, auch beweispflichtig.
Fraglich ist weiterhin, ob die Entscheidung auf Sonderverträ-
ge übertragen werden kann, wenn diese entweder (auch) auf
§ 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV verweisen oder wenn sie eine
inhaltsgleiche Bestimmung enthalten. Bis in das Jahr 2010
war der BGH der Auffassung, bezüglich einer Preisanpas-
sungsklausel genüge es, wenn in einem Sondervertrag mit
Verbrauchen eine unmittelbare Anwendbarkeit von StromGVV/
GasGVV (bzw. früher AVBEltV/AVBGasV) vorgesehen war
oder jedenfalls auf Versorgungsbedingungen Bezug genom-
men wurde, die ein mit § 5 Abs. 2 StromGVV/GasGVV (frü-
her § 4 Abs. 2 AVBEltV/AVBGasV) in jeder Hinsicht gleich-
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VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
HEFT 1 2017
4
BR-Drs. 76/79, S. 63.
5
BR-Drs. 76/79, S. 63.
1...,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19 21,22,23,24,25,26,27,28,29,30,...36