Verlag Versorgungswirtschaft - page 17

des § 5 Abs. 1a ARegV, solche nachweisbaren Ist-Kosten in
die Saldierung des Regulierungskontos einzubeziehen. Da-
durch würden der Nachholeffekt über die jeweils folgenden
Jahre verteilt und Netzentgeltschwankungen minimiert.
Dementsprechend sollte im Erstantrag auf den Kapitalkosten-
aufschlag und im zeitgleichen Antrag zur Auflösung des
Regulierungskontos beantragt werden, die schon vor dem
1. Jahr der 3. Regulierungsperiode angefallenen Kapitalkos-
ten entsprechend § 5 Abs. 1a ARegV als Gutschrift im Regu-
lierungskonto zu berücksichtigen, um einen systemkonfor-
men Ausgleich herbeizuführen.
32
Für den Fall, dass die Regu-
lierungsbehörde dem nicht stattgeben würde, sollte der An-
trag vorsorglich mit einem Härtefallantrag gem. § 4 Abs. 4
Nr. 2 ARegV verbunden werden. Dort ist eine EO-Anpassung
zwar nur wegen eines »unvorhersehbaren Ereignisses« vor-
gesehen, während die aus einer Investition resultierenden
Kosten für den VNB natürlich vorhersehbar sind. Die Recht-
sprechung hat die Härtefallklausel aber weit ausgelegt als
Auffang-Vorschrift für alle aus dem Basisjahr-Effekt resultie-
renden unbilligen Härten.
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Der Härtefallantrag sollte aber nur hilfsweise gestellt werden.
Nach der hier vertretenen Auffassung erübrigt sich ein Rück-
griff auf die allgemeine Härtefallregelung, weil die zwischen
dem Basisjahr und Beginn der 3. Regulierungsperiode ent-
standenen Kapitalkosten aus Investitionen nach dem Basis-
jahr unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 10a,
§ 34 Abs. 6, § 5 Abs. 1a ARegV, zumindest in entsprechender
Anwendung und EnWG-konformer Auslegung dieser Vor-
schriften, in der EO für die 3. Regulierungsperiode zeitnah
nachgeholt werden können. Ggf. wäre dies beschwerdege-
richtlich zu klären, um zu vermeiden, dass aus dem System-
wechsel der ARegV-Novelle 2016 ein Systembruch wird.
HEFT 1 2017
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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Moench/Ruttloff/Kindler
, a.a.O. (Fn. 18), unter 1.
33
BGH, a.a.O. (Fn. 20) Rn. 72 ff. zu den Verlustkosten; vgl. zur Härteklausel
auch
Weyer
in Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Kap. 83 Rn. 12 ff.
WIRTSCHAFTSRECHT
Rechtsprechung
Energiewirtschaftsrecht / Zivilrecht
DokNr. 17004080
Vereinbarte Schriftform einer Änderungs-
kündigung
– BGH, Urteil vom 27.04.2016 – VIII ZR 46/15 –
*
Leitsatz des Gerichts:
Zur Änderungskündigung eines Sonderkundenvertrags durch
das Gasversorgungsunternehmen mittels eines an eine Viel-
zahl von Kunden gerichteten standardisierten Schreibens.
Leitsätze der Redaktion:
1. Die textliche Wendung »
… müssen wir ihren Erdgasliefe-
rungsvertrag zu den bisherigen Bedingungen zum
31.12.2006 beenden
« lässt den Willen des Gasversor-
gungsunternehmens zur Kündigung des Sonderkunden-
vertrags zum 31.12.2006 klar und unmissverständlich er-
kennen.
2. Bereits aus der Bezeichnung des neuen Tarifs als »Preis-
angebot« wird dem verständigen und redlichen Kunden
klar werden, dass ihm der Lieferant ein Angebot zum Ab-
schluss eines neuen Vertrags unterbreitet und ihm die
Entscheidungsmöglichkeit einräumt, ob und zu welchem
Tarif er sich beliefern lassen will.
3. Eine in der Änderungskündigung so bezeichnete »
auto-
matische Vertragsumstellung
« auf einen neuen Tarif wird
der Kunde bei verständiger Würdigung dahin (richtig)
verstehen, dass er nur dann zu dem neuen Tarif versorgt
werden wird, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt keine an-
dere gegenteilige (ausdrückliche) Erklärung gegenüber
der Klägerin abgibt.
4. Damit ist dem Kunden gleichzeitig auch bewusst, dass er
durch den bloßen, nicht mit einer weiteren (ausdrückli-
chen) Erklärung verbundenen Weiterbezug von Gas ab
dem 01.01.2007 das Angebot der Klägerin auf Belieferung
zu dem neuen Tarif durch schlüssiges Verhalten annimmt
und damit ein neues Vertragsverhältnis zu dem neuen
Tarif geschlossen wird.
5. An diesem Kundenverständnis ändert die fehlende Be-
zeichnung des neuen Vertragsverhältnisses als Tarifkun-
denvertrag in der Änderungskündigung nichts.
6. Die Auslegung, welche Anforderungen die Parteien an
die von ihnen vereinbarte Schriftform stellen wollten, hat
sich in erster Linie an dem mit der Form verfolgten Zweck
zu orientieren, der aus den erkennbaren beiderseitigen
Interessen an der Formvereinbarung abgeleitet werden
kann.
7. Das Interesse der Vertragsparteien an der schriftlichen
Form der Kündigung eines Gaslieferungsvertrags erschöpft
sich ersichtlich in der verkörperten Verfügbarkeit des
Inhalts der Kündigungserklärung zu Dokumentations-
und Beweiszwecken.
8. Diesem Dokumentationsinteresse der Parteien ist unab-
hängig davon, ob die Vertreter des kündigenden Gasver-
sorgungsunternehmens die Kündigung eigenhändig un-
terschrieben haben, allein durch die schriftliche Über-
mittlung des Kündigungsinhalts und die daraus folgende
Erkennbarkeit der für die Kündigung verantwortlich zeich-
nenden Personen Genüge getan. Nur dieses Formver-
ständnis wird den bei Energielieferungsverträgen zu be-
achtenden Erfordernissen des Massenverkehrs gerecht.
Anmerkung:
1
. Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunterneh-
men, welches Gebietsversorger war, versorgte die beklagte
Wohnungseigentümergemeinschaft auf der Grundlage eines
Sondertarifs seit dem 01.05.2001 leitungsgebunden mit Erd-
gas. Die dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen enthielten unter anderem folgende Be-
stimmungen: »
Die Vorschriften der AVBGasV gelten, soweit
diese AGB nichts anderes vorsehen
.« und »
Kündigungen
haben schriftlich zu erfolgen. Alle notwendigen Erklärungen
können elektronisch unter Zuhilfenahme einer digitalen Sig-
natur abgegeben werden, sobald und soweit hierzu gesetz-
liche Regelungen vorliegen.
«
*
Die Entscheidung finden Sie im vollen Wortlaut auf unserem Portal
vw-online.eu unter DokNr. 17001844. Anhörungsrüge verworfen durch
Beschluss vom 23.08.2016.
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...36