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VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
HEFT 1 2017
1. Sockeleffekte nach der ARegV 2007
Im System des verhandelten Netzzugangs
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und in der 2005
eingeführten Kosten-Regulierung konnten die Kosten einer
effizienten Betriebsführung
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im Grundsatz zeitnah erlöst wer-
den,
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einschließlich der Kapitalkosten.
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Dies änderte sich mit der
2007 verabschiedeten Anreizregulierungsverordnung. Deren
Budgetprinzip führte zu einer Entkopplung von Kosten und
Erlösen. Die Erlöse für eine 5jährige Regulierungsperiode be-
stimmten sich nach den Kosten im Basisjahr, jeweils 3 Jahre
vor Beginn der nächsten Periode.
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Der VNB erhielt dadurch
im ungünstigsten Fall (Aktivierung eines Wirtschaftsgutes nach
dem Basisjahr) für eine Investition 7 Jahre lang keine kalku-
latorische Abschreibung, Kapitalverzinsung und die korres-
pondierende kalkulatorische Gewerbesteuer. Dies wurde als
negativer Sockeleffekt bezeichnet.
Die zunächst nicht erlösten Kapitalkosten konnte der VNB
aber am Ende der kalkulatorischen Nutzungsdauer nachho-
len, in gewissem Umfang auch schon während der Abschrei-
bungsdauer. Dieser sog. positive Sockeleffekt entstand zum
einen durch die Fixierung der Erlöse auf die Kapitalkosten
des Basisjahres;
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dadurch blieb der kontinuierliche Wertever-
zehr des Sachanlagevermögens in Form jährlich sinkender
Restwerte während einer Regulierungsperiode unberücksich-
tigt. Zum anderen konnten am Ende der kalkulatorischen
Nutzungsdauer die anfangs nicht erlösten Abschreibungs-
scheiben einschließlich Verzinsung und Gewerbesteuer bis
zum Ende der betreffenden Regulierungsperiode nachgeholt
werden. Nachfolgendes Bild zeigt beispielhaft für die Sparte
Stromverteilung an einer im Jahr 2007 getätigten Investition
(ohne Berücksichtigung des X generell, X individuell und der
Inflation) die negativen und positiven Sockeleffekte (siehe
Schaubild auf der nächsten Seite links oben).
Diese Systematik gewährleistete auf lange Sicht, dass die
gesamten Kosten aus effizienten Investitionen irgendwann
erlöst werden konnten. Der Kapitalrückfluss erfolgte jedoch
nicht zeitnah, sondern mit einer mehr oder minder langen
zeitlichen Verzögerung. Dadurch war die von der Bundesnetz-
agentur (BNetzA) je Regulierungsperiode festgelegte Eigen-
kapitalverzinsung nur für die unmittelbar vor dem Basisjahr
getätigten Investitionen erreichbar, in allen anderen Jahren
wurde sie mehr oder minder unterschritten, am stärksten bei
Investitionen im Jahr nach dem Basisjahr,
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da hier die Rück-
flüsse erst mit der Beginn der übernächsten Regulierungspe-
riode, d.h. mit 7 Jahren Zeitverzug realisiert werden konnten.
In der Theorie wäre der negative Sockeleffekt bei Neuanla-
Die neue Anreizregulierungsverordnung –
Übergangsprobleme bei Investitionen nach dem Basisjahr
– von Dipl.-Wi.-Ing. Julia Hussong und Ass. iur. Martin Jacob, Ludwigshafen –*
Die »Zweite Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung« wurde am 16.09.2016 im Bundesgesetz-
blatt veröffentlicht und trat am Tage darauf in Kraft. Die wesentlichste Neuerung ist der sog. Kapitalkostenabgleich. Er
stellt einen grundlegenden Systemwechsel gegenüber dem bisherigen Budgetprinzip dar. Der Verordnungsgeber be-
zweckt damit, durch einen zeitnäheren Kapitalrückfluss die Investitionsbedingungen bei Verteilernetzbetreibern (VNB)
zu verbessern; das bisherige Problem des Zeitverzugs bei Investitionen wird geheilt.
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Damit werden die Bedingungen
für Neu- und Ersatzinvestitionen ab 2018 (bei Gas) bzw. 2019 (bei Strom) verbessert. Der Systemwechsel geht jedoch
mit erheblichen Übergangsproblemen einher, die der Verordnungsgeber nur teilweise gelöst hat. Es gibt zwar eine
Übergangsregelung zu den zwischen 2007 und 2016 getätigten Investitionen; sie trägt jedoch dem Vertrauensschutz
bisher nur unzureichend Rechnung. Zudem ist unklar, wie die Kosten aus Ersatzinvestitionen in den beiden Jahren vor
Beginn der 3. Regulierungsperiode erlöst werden können.
* Julia Hussong ist Leiterin Controlling/Netzwirtschaft, Martin Jacob ist Lei-
ter Regulierungsrecht der Pfalzwerke Netz AG.
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BR-Drs. 296/16, S. 1.
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§§ 6 Abs. 1 S. 5, 6a Abs. 1 S. 5 EnWG 2003 i.V.m. Verbändevereinbarungen
v. 13.12.2001 (Strom) bzw. 03.05.2002 (Gas).
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Abweichend von einer reinen Cost-Plus-Regulierung galt stets ein Effi-
zienzkorrektiv, schon in § 6 Abs. 1 S. 5 EnWG 2003 i.V.m. Ziff. 2.1.1 der VV
II plus, seit 2005 über § 21 Abs. 2-4 EnWG i.V.m. §§ 22 ff. StromNEV, §§ 21 ff.
GasNEV (Vergleichsverfahren).
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U.a. durch Berücksichtigung gesicherter Erkenntnisse über die Kosten im
Planjahr, § 3 Abs. 1 S. 5 StromNEV, § 3 Abs. 1 S. 4 GasNEV.
5
Dazu
Maltry
in Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirt-
schaft, 2./2016, Kap. 76 Rn. 26 ff., 73 ff.
6
Gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ARegV sind Plankosten im Ausgangsniveau für die
nächste Regulierungsperiode nicht mehr berücksichtigungsfähig, dazu
Matz
in Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Kap. 78 Rn. 18 ff.
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Gersemann/Maqua
, VersorgW 2016, 297, 298 unter a), DokNr. 16003976.
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Zöckler/Schwieters
, Energiewirtschaftliche Tagesfragen (ET) 2016, Heft 9,
S. 20 ermitteln nach bisheriger ARegV eine Renditebandbreite von
2,26–4,46 %.
DokNr. 17004079
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