Verlag Versorgungswirtschaft - page 13

gen – unter der Prämisse einer gleichförmigen Investitionstä-
tigkeit und gleichförmigen Abschreibung – kompensiert wor-
den durch positive Sockeleffekte aus den Kapitalkosten von
Altanlagen. In der Realität war dies aber nicht möglich. Zum
einen hatten viele netzbetreibende Versorger seit Beginn der
90er Jahre, als sich die Marktöffnung abzeichnete, ihre Netz-
investitionen stark reduziert, um wettbewerbsfähiger zu wer-
den. Entsprechend hoch ist derzeit vielerorts der Bedarf an
Ersatzinvestitionen, weil kalkulatorisch schon längst abge-
schriebene Anlagen ans Ende ihrer technisch-wirtschaftlichen
Lebensdauer kommen und ersetzt werden müssen.
Zum anderen hatte die BNetzA zu Beginn der Kostenregulie-
rung die Übergangsregelung in § 32 Abs. 3 S. 3 StromNEV
sehr restriktiv gehandhabt und für die Vergangenheit weitest-
gehend kurze steuerliche Nutzungsdauern unterstellt.
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Da-
durch waren die Altanlagen der VNB im Basisjahr 2006 für
die 1. Periode der Anreizregulierung kalkulatorisch meist weit-
gehend abgeschrieben, und generierten, selbst wenn die kal-
kulatorische Nutzungsdauer noch nicht ganz abgelaufen war,
wegen der »geknickten Abschreibungsverläufe« kaum noch
Kapitalkosten.
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Dadurch reichten die positiven Sockeleffekte
aus Altanlagen nicht einmal ansatzweise zur Kompensation
der negativen Sockeleffekte ab 2007 aus.
Auch über den Erweiterungsfaktor (EWF, § 10 ARegV) und
die Investitionsmaßnahme (IM, § 23 ARegV) ließen sich ne-
gative Sockeleffekte nicht vermeiden. Der EWF erlaubte zwar
einen zeitnäheren Kapitalrückfluss, verringerte den Zeitver-
zug aber nur, beseitigte ihn nicht vollständig, und erfasste
nur Erweiterungs-, keine Ersatzinvestitionen.
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Durch die IM
konnte der Zeitverzug theoretisch vollständig vermieden
werden, dies jedoch nur bei Investitionen in Hochspannungs-
leitungen. Der weitaus größere Investitionsbedarf besteht bei
VNB aber in der HS/MS-Umspannung oder niedrigeren Netz-
ebenen, die von der IM grundsätzlich ausgenommen sind.
Zudem genehmigte die BNetzA den VNB IM bis 2012 nur
sehr restriktiv, verwies sie meist auf den EWF. Damit entstan-
den und entstehen den VNB seit 2007 bis
zum Ende der 2. Regulierungsperiode per
saldo in erheblichem Umfang negative Sockel-
effekte.
2. Vermeidung von Sockeleffekten ab 2019
Die negativen und positiven Sockeleffekte
werden künftig vermieden durch den Kapi-
talkostenabgleich in der neuen ARegV. Mit
ihm »soll der Zeitverzug zwischen einer In-
vestition und der Berücksichtigung der aus
ihr folgenden Kapitalkosten in den Netzent-
gelten beseitigt werden«,
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um den neuen
Anforderungen an VNB gerecht zu werden
und Investitionen insbesondere auch in intel-
ligente Netz zu fördern. Er umfasst zwei Ele-
mente, den Kapitalkosten
abzug
und den Ka-
pitalkosten
aufschlag
.
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Der jährliche Kapitalkosten
abzug
(§ 6 Abs. 3
ARegV) verhindert mit Beginn der 3. Regu-
lierungsperiode positive Sockeleffekte. Die im
Zeitverlauf sinkenden Restwerte der Bestands-
anlagen und damit korrespondierend sinken-
den Kapitalkosten werden in der Erlösobergrenze (EO) jah-
resscharf abgebildet. Sind am Ende der kalkulatorischen Nut-
zungsdauer keine Restwerte mehr vorhanden, werden die ent-
sprechenden Anlagengüter auch nicht mehr erlöswirksam.
Der Kapitalkostenabzug wird von der Regulierungsbehörde
von Amts wegen ermittelt und bereits bei der EO-Festlegung
berücksichtigt.
Umgekehrt wird auf Antrag des VNB ein Kapitalkosten
auf-
schlag
gemäß § 10a ARegV genehmigt. Er berücksichtigt die
jährlichen Kapitalkosten der betriebsnotwendigen Anlagen-
güter, die nach dem Basisjahr aktiviert wurden oder bis zu
dem Jahr, für das die EO-Anpassung beantragt wird, noch
aktiviert werden sollen; insoweit sind Planansätze zu treffen
(§ 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 ARegV). Ein Abgleich erfolgt ex-
post im Folgejahr; die Differenz zwischen den Planansätzen
und den tatsächlich entstandenen Kapitalkosten wird über
das Regulierungskonto ausgeglichen (§ 5 Abs. 1a ARegV).
Damit wird der Zeitverzug beseitigt, ein negativer Sockel-
effekt ab Beginn der 3. Regulierungsperiode vermieden.
3. Optimaler Investitionszeitpunkt
Vor der ARegV-Novelle spielte der Investitionszeitpunkt für
die erzielbare Rendite eine wesentliche Rolle; dies ändert
sich künftig durch den Kapitalkostenabgleich. Gleichwohl
lassen sich bei näherer Betrachtung noch zwei Einflussfakto-
ren finden, über die der Investitionszeitpunkt noch in be-
grenztem Umfang renditewirksam werden kann.
Die kapitalkostenbasierten Erlöse nach Kapitalkostenabzug
unterliegen der individuellen Erlössenkungsvorgabe (»X
ind«). Je geringer der individuelle Effizienzwert, desto gerin-
ger ist der Mittelrückfluss für eine vor oder im Basisjahr akti-
vierte Investition. Der X ind erfasst aber nur die beeinflussba-
ren Kosten im Basisjahr, nicht den erst später genehmigten
Kapitalkostenaufschlag; denn die Kosten aus Investitionen
nach dem Basisjahr können erst in den Effizienzvergleich für
die Folgeperiode einbezogen werden. Vor diesem Hinter-
grund sollte, wenn ein Effizienzwert unter 100 % erwartet
wird, eher
nach
dem Basisjahr investiert werden.
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Für die Kapitalkosten und den Kapitalkostenabzug ist die in-
dividuelle Finanzierungsstruktur des VNB im Basisjahr maß-
HEFT 1 2017
VERSORGUNGSWIRTSCHAFT
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Pauschal selbst für Zeiträume, in denen gar keine entsprechende Arbeits-
anleitung der Landespreisaufsichtsbehörde mit Vorgaben zur kalkulatori-
schen Abschreibung vorlag und für die eigentlich die unteren NEV-Nut-
zungsdauern anzusetzen gewesen wären.
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Dazu instruktiv
Meinefeld/Missling
, Elektrizitätswirtschaft 2011, Heft 24,
S. 38 ff.
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Die BNetzA folgert dies aus Sinn und Zweck des § 10 ARegV (dazu
Krü-
ger/Müller-Kirchenbauer/Weger
in Holznagel/Schütz, AREGV, § 10 Rn. 12,
13, 85) und forderte seit Jahren zunehmend Darlegungen und Nachweise
der Antragsteller, dass es sich um keine Ersatzinvestitionen handelt.
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BR-Drs. 296/16, S. 1.
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Dazu
Dobler/Wolf
, VersorgW 2016, 293, 294, DokNr.16003975, vertiefend
Gersemann/Maqua
, VersorgW 2016, 297 ff., DokNr. 16003976 und
Zöckler/
Schwieters
, ET 2016, H. 9, S. 20 ff.
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Zöckler/Schwieters
, ET 2016, H. 9, S. 20, 21.
2006 2011 2016 2021 2026 2031 2036 2041
Kapitalkosten in EOG kalkulatorische Kapitalkosten
Positive
Sockeleffekte
Negative
Sockeleffekte
1...,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...36